23.06.2024 14:28:38 - dpa-AFX: Dobrindt: Ukraine-Flüchtlinge ohne Arbeit zurückschicken

BERLIN (dpa-AFX) - Die CSU im Bundestag fordert, Kriegsflüchtlinge aus der
Ukraine in ihr Heimatland zurückzuschicken, wenn sie keine Arbeit in Deutschland
aufnehmen. "Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz
gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der
West-Ukraine", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der "Bild am
Sonntag". Bei SPD und Grünen stieß die Forderung auf scharfe Kritik.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, der russische Präsident
Wladimir Putin lasse immer wieder Ziele in der gesamten Ukraine bombardieren.
"Hierhin will Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken, die
möglicherweise ihren Vater bereits an der Front verloren haben. Die CSU sollte
sich schämen ob solcher Forderungen und das C für christlich endgültig aus ihrem
Namen streichen."

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte: "Die Unterstellung, die Ukrainer kämen
wegen des Bürgergelds zu uns, verkennt das Grauen des Krieges Putins." Er lehnte
auch Vorschläge aus der Union ab, Ukrainern nicht sofort Bürgergeld zu gewähren,
sondern sie zuerst ins reguläre Asylverfahren zu verweisen. "Natürlich müssen
wir die Ukrainer noch schneller in Arbeit bringen. Aber neue rechtliche Hürden,
wie sie die CDU will, helfen da doch nicht, sie schaden."

Dobrindt sagte, das Bürgergeld sei zu Beginn des russischen Angriffskrieges
gegen die Ukraine als schnelle Hilfe gedacht gewesen, aber längst zur
Arbeitsbremse geworden. Es halte zu viele Menschen aus der Ukraine in der
Sozialhilfe fest. "Wir brauchen stärkere Mitwirkungspflichten für Asylbewerber,
wenn es um die Arbeitsaufnahme geht. Es muss ein Angebot auf Arbeit geben, und
dieses muss Teil einer Integrationsleistung sein."

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können in Deutschland seit Juni 2022
Leistungen der Grundsicherung (damals noch Hartz IV, heute Bürgergeld) erhalten
- anstelle der geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Darauf hatten sich damals Bund und Länder verständigt. Begründet wurde die
Änderung unter anderem damit, dass Flüchtlinge aus der Ukraine direkt Anspruch
auf einen Aufenthaltstitel haben und keine Entscheidung wie bei Asylbewerbern
abwarten müssten.

Geflüchtete Ukrainer dürfen hierzulande auch arbeiten. Anspruch auf
Bürgergeld haben sie wie üblich nur, wenn sie über kein oder nur ein geringes
Einkommen verfügen. Im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung einen
"Job-Turbo" angekündigt, um Geflüchteten mit Bleibeperspektive eine schnellere
Vermittlung in Arbeit zu ermöglichen. Nach Angaben von Bundesarbeitsminister
Hubertus Heil (SPD) konnten inzwischen von den ukrainischen Geflüchteten 187 000
in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gebracht werden.

"Mein Ziel ist klar, dass wir diejenigen, die als Geflüchtete im Bürgergeld
sind, nicht nur die ukrainischen Geflüchteten, besser und schnell in Arbeit
bringen müssen", sagte Heil im Deutschlandfunk vor Bekanntwerden von Dobrindts
Äußerungen.

Zuletzt hatten mehrere Länder-Innenminister verlangt, die Zahlung von
Bürgergeld an ukrainische Kriegsflüchtlinge zu beenden und ihnen nur noch
niedrigere Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuzugestehen. Die
Bundesregierung hat das bereits abgelehnt.

SPD-Arbeitsmarktpolitiker Martin Rosemann verwies in der Bild am Sonntag"
darauf, dass viele der Ukraine-Flüchtlinge alleinerziehende Mütter seien: "Die
Hürden für ukrainische Geflüchtete beim Start ins Arbeitsleben liegen bei der
fehlenden Kinderbetreuung, mangelnden Sprachkenntnissen und der langwierigen
Anerkennung von Berufsabschlüssen." Der Vorschlag, sie aus dem Bürgergeld ins
Asylverfahren zu packen, nannte er "populistischen Unsinn"./sam/wn/DP/he

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