18.06.2024 18:20:52 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP 2: Entertainer Nagelsmann plant nächste 'Wusiala'-Show

(durchgehend aktualisiert)

STUTTGART (dpa-AFX) - Zweites Spiel, zweite Party. Deutschland stimmt sich
voller Vorfreude und mit rasant gestiegenen Erwartungen auf das nächste
Fußball-Fest bei der Heim-EM ein. Ob Schottland oder Ungarn: Hauptsache, die
neue Sommermärchen-Staffel geht nach dem 5:1 im Eröffnungsspiel auch bei der
Turnier-Premiere im lila-pinken Trikot im "Wusiala"-Showstil weiter. Allerdings
mochte Julian Nagelsmann am Dienstag nach der kurzen Anreise aus dem Camp in
Franken in den Spielort Stuttgart keine weitere Tore-Gala versprechen: "Wir
erwarten nicht, dass wir jeden Gegner aus dem Stadion schießen."

Die Erwartungshaltung des Bundestrainers ist aber, dass der zweite Sieg
eingefahren wird. Und das deckt sich mit seinen Spielern. "Wir gucken, dass wir
jedes Spiel besser werden. Und wir fangen das Spiel gegen Ungarn wieder an mit
derselben Intensität", versprach Jamal Musiala, der wieder mit Kumpel Florian
Wirtz zaubern möchte, den feierwütigen Fans.

Völler spricht schon vom Ziel Gruppensieg

Sportdirektor Rudi Völler blickte vor dem oft kniffligen zweiten
Turnierspiel am Mittwoch (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) sogar schon über die
Achtelfinal-Qualifikation hinaus auf eine ideale Ausgangsposition für die
K.o.-Phase. "Wir wollen in jedem Fall Gruppensieger werden", sagte der
64-Jährige. Dortmund, Stuttgart, München wären dann die weiteren
Zwischenstationen auf dem weiteren Turnierweg bis zum finalen Traumziel Berlin.

Nach dem Fünf-Tore-Spektakel gegen überforderte Schotten wird die
Ungarn-Prüfung zum Lackmustest. Wie gefestigt ist das "Fundament", von dem
Nagelsmann nach dem wunderbaren Auftaktabend und inzwischen fünf Länderspielen
ohne Niederlage im EM-Jahr sprach? Hat Deutschland wirklich schon wieder das,
was bis zu den vermurksten WM- und EM-Endrunden der vergangenen sechs Jahre alle
anderen Nationen fürchteten, nämlich eine Turniermannschaft? Nagelsmann will
diesen Glauben unbedingt weiter schüren.

Fußball als Entertainment: Ein Ticket kostet Geld

Der junge Bundestrainer geht in seiner Rolle auf. Und er will partout kein
Mahner sein, kein Bedenkenträger, kein Bremser der Euphorie, die sich im Land
entwickelt. Am Dienstag versammelte er seine 26 Akteure vor dem Anpfiff des
Abschlusstrainings noch im sonnig warmen Herzogenaurach auf dem Platz im Kreis.
Und seine Ansprache fiel auffällig lang aus.

Womöglich hat der eloquente Bundestrainer da nochmal das ausgesprochen, was
er schon vor dem Turnierbeginn als Marschroute und Mission für diesen Sommer
formuliert hatte. Er versteht sich und seine Spieler als Entertainer, als
Spaßmacher, als Freudenbringer.

"Für mich ist immer der erste Schritt, dass wir eine Art und Weise von
Fußball zeigen, die Spaß macht. Ein Ticket kostet Geld. Der Aufwand, den die
Fans auf sich nehmen, muss zurückgezahlt werden durch einen Fußball, der Spaß
macht, der entertainen soll", sagte der Bundestrainer. Darum gelte: "Die
Menschen schauen Fußball in ihrer Freizeit an. Und wir versuchen, das am Ende
immer noch zu paaren mit einem guten Ergebnis."

"Schon im Flow?" Für Kroos kommt das zu früh

Ein gutes Ergebnis wäre der zweite Sieg, damit sechs Punkte und der
vermutlich schon frühe Achtelfinaleinzug. Aber auch wenn Nagelsmann mit seinen
Jungs nur zu gerne auf der Sympathie- und Erfolgswelle der Torgala des
Eröffnungsspiels surft, bleibe man "mit den Füßen auf dem Boden", wie Torwart
Manuel Neuer versicherte.

Es sind die Turnier-Veteranen wie Neuer (38), Thomas Müller (34) und Toni
Kroos (34), die die Situation vernünftig einordnen. Die Frage nach dem "Flow"
beantwortete Kroos, der das deutsche Spiel nach seinem Comeback mit seinem
Ruhepuls und der Aura eines sechsfachen Champions-League-Siegers lenkt, mit
wohltuendem Realismus. "Ob man nach einem Spiel schon im Flow ist, weiß ich
nicht", sagte der Mann, der gegen die Schotten 101 von 102 Pässe zum Mitspieler
brachte, und nie den Überblick - geschweige den Ball - verlor.

Kein Grund für personelle Veränderungen

Die unbequemen und mit mehreren Bundesliga-Profis wie den Leipzigern Willi
Orban und Péter Gulácsi besetzten Ungarn sind für Kroos kein Leichtgewicht wie
die Schotten, die Musiala, Wirtz und Co. nach Herzenslust kombinieren und
schießen ließen. "Es erwartet uns eine Mannschaft, die mindestens eine Klasse
besser ist als Schottland", sagte Kroos.

"Ungarn hat eine gute Umschaltmannschaft", sagte Nagelsmann. Aber deswegen
wird er an der Herangehensweise nicht sehr viel ändern. "Es liegt daran, wie wir
auftreten." Auf sich schauen, den eigenen Stärken vertrauen, lautet der Plan.
Grund für Veränderungen gibt es nicht. Nagelsmann kann wieder die Wunschelf mit
Neuer, Kimmich, Rüdiger, Tah, Mittelstädt, Andrich, Kroos, Musiala, Gündogan,
Wirtz und Havertz auf den Platz schicken.

Und trotzdem betonte er ausdrücklich den Wert der Ersatzspieler, für die
sein Vor-Vorgänger Joachim Löw einst auf dem Weg zum WM-Triumph 2014 in
Brasilien die Bezeichnung "Spezialkräfte" erfand. "Es ist wichtig in einem
Turnier, dass wir auch Spieler von der Bank haben, die Impulse bringen", sagte
Nagelsmann. Die Einwechselspieler Niclas Füllkrug und Emre Can erzielten gegen
Schottland in München die umjubelten Tore vier und fünf./kbe/DP/ngu

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