24.06.2024 06:00:18 - dpa-AFX: ROUNDUP: Netanjahu kündigt Ende intensiver Kampfphase an - Nacht im Überblick

TEL AVIV (dpa-AFX) - Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im
Gaza-Krieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt, will den
Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte
Netanjahu am Sonntagabend im israelischen Fernsehsender Channel 14.

Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des
Krieges darstellen würde, antwortete Netanjahu mit Nein. Er sei zu einer
vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln
bereit. Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die Hamas zerstört sei.
Netanjahus Äußerungen bei dem seltenen Live-Auftritt vor heimischem Publikum
lösten laut israelischen Medienberichten Wirbel aus.

Netanjahu: Die Hamas lehnt ein Abkommen ab, nicht Israel

Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer
Klarstellung veranlasst: "Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht
Israel", hieß es am Abend in einer knappen Mitteilung. Netanjahu habe deutlich
gemacht, "dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir alle 120 unserer
Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben", hieß es weiter. Ende
Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine
Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause
eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln freikommen. In einer
zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen
Geiseln auf freien Fuß kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge
der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Netanjahu kündigt Truppenverlegung nach Norden an

Nachdem die intensive Phase im Gaza-Krieg beendet sei, werde man die
Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte
Netanjahu. Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschießen sich Israel und die
libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die Intensität
der Gefechte deutlich zu. Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass
sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss
zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber
auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische
Verteidigungsminister Joav Galant.

Vor seiner Abreise am Wochenende in die USA bekräftigte Galant, sein Land
sei "auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im
Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten". Es wird befürchtet, dass ein
offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt
ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels
hineingezogen würden. Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation
reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an diesem Montag nach Tel Aviv.

Baerbock zu Krisengesprächen in Israel und Libanon

Es ist der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der Terrorattacke der Hamas
auf das Land am 7. Oktober. Der blutige Überfall war der Auslöser des Krieges
gewesen. Bei den Gesprächen der Grünen-Politikerin in Israel und den
Palästinensischen Gebieten am Dienstag werden nach Angaben einer Sprecherin des
Auswärtigen Amts der Krieg im Gazastreifen sowie die katastrophale humanitäre
Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet im Zentrum stehen. Am Dienstagabend will
Baerbock auch Gespräche in der libanesischen Hauptstadt Beirut führen.

Unterdessen wiesen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der
EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarcic, in einer gemeinsamen Erklärung
auf die verheerende Versorgungslage in Gaza hin. Es sei inzwischen nahezu
unmöglich geworden, in dem Kriegsgebiet nennenswerte humanitäre Hilfe zu
leisten. Die hungernden Menschen griffen zu verzweifelten Maßnahmen, um an die
wenigen Hilfsgüter heranzukommen, die ins Land gelangen. "Wir appellieren erneut
an alle Konfliktparteien, ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu
werden", hieß es. Zuvor hatte auch UN-Generalsekretär Guterres beklagt, Chaos
und "totale Gesetzlosigkeit" verhinderten die Verteilung humanitärer Hilfe.

Israels Oberstes Gericht fordert Aufklärung über Gefangenenlager

Das Oberste Gericht in Israel hat derweil laut Medienberichten vom Sonntag
von den staatlichen Stellen des Landes einen Bericht über die Zustände im
Gefangenenlager Sde Teiman angefordert, das für militante Palästinenser
eingerichtet worden ist. Ehemalige Insassen, Menschenrechtsgruppen und
israelische Hinweisgeber, unter ihnen frühere Ärzte, hatten mehrfach über Gewalt
gegen die Gefangenen bis hin zu Folter berichtet. Unter anderem sollen Häftlinge
geschlagen, sexuell missbraucht und verletzt worden sein.

Das Militär hatte das Lager von Sde Teiman in der Nähe der südisraelischen
Stadt Beerscheba nach dem Terrorüberfall vom 7. Oktober errichtet. Die Armee
inhaftiert dort Terrorverdächtige und Militante, die im Zuge des Gaza-Krieges
festgenommen wurden. Nach israelischer Lesart handelt es sich bei ihnen um
"illegale Kombattanten". Damit ist gemeint, dass sie als Mitglieder einer
Terrororganisation keinen Schutz eines Kriegsgefangenen erhalten und für sie
auch nicht die dritte Genfer Konvention mit detaillierten Regeln über die
Behandlung von Kriegsgefangenen gilt. Diese Praxis ist international umstritten.

Was am Montag wichtig wird

Außenministerin Baerbock nimmt zunächst an der regulären Sitzung des
Außenrats der Europäischen Union in Luxemburg teil. Dort soll es um die
gemeinsame Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen
Angriffskrieg sowie die Lage im Nahen und Mittleren Osten gehen. Danach reist
die Grünen-Politikerin nach Israel weiter und will am Abend in Tel Aviv bei der
Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der
Reichman-Universität eine Rede halten. Währenddessen führt Israels
Verteidigungsminister Galant Gespräche in Washington. Er wollte neben seinem
US-Kollegen Lloyd Austin auch Außenminister Antony Blinken treffen./ln/DP/zb

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