20.05.2024 08:53:16 - dpa-AFX: ROUNDUP: Neuer Präsident Taiwans vereidigt - Forderungen an China

TAIPEH (dpa-AFX) - Im angespannten Verhältnis zu China hat Taiwans neuer
Präsident Lai Ching-te bei seiner Amtseinführung Peking zu einem Ende der
Einschüchterungsversuche aufgefordert. "Ich möchte auch China aufrufen, seine
politische und militärische Einschüchterung gegen Taiwan einzustellen", sagte
der Politiker der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) am Montag während
seiner Antrittsrede vor Tausenden Anhängern in Taipeh. China solle die
Verantwortung mit Taiwan teilen, in der Meerenge zwischen den beiden Ländern
(Taiwanstraße) und der Region Frieden und Stabilität aufrechtzuerhalten.

Die Zukunft der Beziehungen in der Taiwanstraße zwischen der Volksrepublik
China und Taiwan, das offiziell Republik China heißt, hätten einen
entscheidenden Einfluss auf die Welt. Seine Regierung werde weder nachgeben noch
provozieren und werde den Status quo beibehalten, sagte der 64-Jährige. Damit
ist gemeint, dass Taiwan faktisch ein eigenständiges Land bleiben soll. Die
Kommunistische Partei in Peking zählt die Insel und ihre mehr als 23 Millionen
Einwohner zu ihrem Territorium, obwohl sie Taiwan bislang nie regierte und in
Taipeh seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung sitzt.

Peking antwortet mit Sanktionen

Ein Krieg in der Taiwanstraße hätte dramatische Folgen, da die zwischen rund 130 und 180 Kilometer breite Meerenge eine wichtige Schifffahrtsroute für den
Welthandel ist und taiwanische Firmen global wichtige Chip-Technologie
herstellen. Zudem würden die USA als engster Verbündeter und Waffenlieferant
Taiwans durch ihre Zusage, im Verteidigungsfall zu helfen, mit in den Konflikt
gezogen werden. Parallel zum Amtsantritt Lais kündigte China Sanktionen gegen
drei US-Rüstungskonzerne an. Betroffen waren die Verteidigungs-, Raumfahrt- und
Sicherheitssparte von Boeing sowie die Unternehmen General Atomics Aeronautical
Systems und General Dynamics Land Systems, die auf eine Liste "unzuverlässiger
Unternehmen" gesetzt wurden. Damit sollen sie für Waffenlieferungen an Taiwan
bestraft werden.

Weil die DPP für eine Unabhängigkeit Taiwans steht, sieht Peking in Lai und
der Partei Separatisten. Immer wieder demonstriert die Volksbefreiungsarmee in
der Taiwanstraße ihre militärische Stärke. Peking drohte zudem mit militärischen
Mitteln, sollte es Taiwan nicht mit friedlichen Mitteln mit dem Festland
vereinen können. "Ich hoffe, dass China die Realität der Existenz Taiwans
einsieht und die Wahl der Menschen Taiwans respektiert", sagte Lai. Gleichzeitig
bot er Peking an, dass sich beide Länder etwa über die Wiederaufnahme des
Tourismus wieder miteinander austauschen könnten.

Lai ruft zu entschlossener Verteidigung Taiwans auf

Solange China jedoch nicht davon absehe, Gewalt gegen Taiwan einzusetzen,
werde der Wille Pekings, Taiwan zu annektieren, nicht einfach verschwinden,
sagte er. Schon jetzt fliegen beinahe täglich chinesische Kampfflugzeuge in
Richtung Taiwan und dringen dort in die Luftverteidigungszone ein, worauf
Taiwans Militär stets reagiert und etwas selbst Flugzeuge in die Luft schickt.
"Angesicht des vielen Bedrohungen und Infiltrierungsversuchen Chinas, müssen wir
unseren Entschluss zeigen, unser Land zu verteidigen", sagte Lai.

Shen Po-yang, Mitglied des Verteidigungsausschusses in Taiwans Parlament,
schätzt, dass China bis 2027 bereit für eine Invasion sei. Den besten Zeitpunkt
für eine Attacke sieht der in Taiwan auch als Puma Shen bekannte DPP-Politiker
dann, wenn 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung bei einem Angriff für eine
Kapitulation stimmen würden. "Sie könnten einfach die erste Rakete zünden, und
wenn die Menschen sagen, sie wollen sich ergeben und einen Friedensvertrag
unterzeichnen, dann wäre dies das Ende des Krieges binnen einer Woche." Shen
fordert deshalb mehr Cybersicherheit und eine Regulierung von sozialen Medien
wie der Kurzvideoplattform Tiktok des chinesischen Bytedance-Konzerns, damit
sich Pekings Propaganda nicht in Taiwan breit machen kann.

Innenpolitische Lage für Regierung schwierig

Lai hatte mit seiner Stellvertreterin Hsiao Bi-khim am 13. Januar die
Präsidentschaftswahl mit rund 40 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Zur
Vereidigung des Präsidenten und der Regierung schickten die USA und Japan
Delegationen. Auch aus Deutschland reiste eine Parlamentariergruppe der CDU, SPD
und FDP an. Nur ein Dutzend Länder erkennen den Inselstaat offiziell an,
darunter sind etwa der Vatikan, Paraguay und Haiti. Deutschland, Japan und die
USA gehören nicht dazu, da sonst eine diplomatische Krise mit China bevorstehen
würde.

Vor dem Präsidentensitz führten Gruppen Tänze auf, Bands spielten und die
Armee feuerte Salutschüsse ab. Die DPP stellt das dritte Mal in Folge das
Staatsoberhaupt, das gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Die
bisherige Präsidentin Tsai Ing-wen durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr
antreten. Im Parlament büßte die DPP allerdings ihre absolute Mehrheit ein und
ist nun auf Allianzen angewiesen.

Größte Oppositionspartei ist die pekingfreundliche Kuomintang, die am
Freitag in einer turbulenten Parlamentssitzung mit DPP-Politikern im Streit um
mehrere Gesetzentwürfe aneinandergeraten war. Es kam zu Rangeleien zwischen den
Parlamentariern, ungefähr eine Handvoll wurde anschließend im Krankenhaus auf
Verletzungen untersucht. Für die neue Regierung dürfte es im Parlament
angesichts der politischen Verhältnisse deutlich mehr Hürden zu überwinden
geben./jon/DP/ngu

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