24.06.2024 17:02:46 - dpa-AFX: POLITIK/Lagebild: Fast 2000 antimuslimische Vorfälle erfasst

BERLIN (dpa-AFX) - Verbale und körperliche Angriffe, Diskriminierung oder
Sachbeschädigung: Die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit hat im
vergangenen Jahr 1926 antimuslimische Vorfälle erfasst. Durchschnittlich hätten
sich damit täglich mehr als fünf solcher Vorfälle ereignet, heißt es in einem am
Montag in Berlin vorgestellten zivilgesellschaftlichen Lagebild der Allianz
Claim, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Muslimfeindliche
Äußerungen im Internet fließen in das Lagebild nicht ein.

Im Vergleich zum vorherigen Jahr mit 898 dokumentierten Vorfällen erfasste
die Allianz demnach 2023 mehr als doppelt so viele Fälle, wobei sich die
Datengrundlage verändert hat: Sowohl 2022 als auch 2023 flossen den jeweiligen
Berichten zufolge bundesweite Meldungen über das Portal "I-Report", die
Statistik für politisch motivierte Gewalt und Polizei- und Pressemeldungen in
die Lagebilder ein. 2023 kamen den Angaben nach Fallzahlen von 17 Melde- und
Beratungsstellen aus 13 Bundesländern hinzu. Ein Jahr zuvor waren es demzufolge
noch 10 Melde- und Beratungsstellen aus 7 Bundesländern. Grundsätzlich geht die
Allianz von einer hohen Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle aus.

"Der Nährboden für Rassismus ist sehr viel größer geworden", bilanzierte die Leiterin der Allianz, Rima Hanano. "Antimuslimischer Rassismus ist heute
salonfähiger denn je und er kommt wirklich aus der Mitte der Gesellschaft",
betonte sie.

Was für Angriffe es gibt und wo sie vorkommen

Rund zwei Drittel der 2023 dokumentierten Fälle machten demnach verbale
Angriffe aus. Dazu gehören Volksverhetzung und Beleidigungen, etwa Drohschreiben
an Restaurants oder Imbisse, deren Inhaber als muslimisch wahrgenommen wurden.
Insgesamt seien 90 Angriffe auf solche Orte und auf religiöse Einrichtungen
erfasst worden. Neben 1277 verbalen Angriffen umfasst das Lagebild 363 Fälle von
Diskriminierung und 286 Fälle von "verletzendem Verhalten". In letztere
Kategorie fallen 178 Körperverletzungen, 4 versuchte Tötungen, 93
Sachbeschädigungen, 5 Brandstiftungen und 6 weitere Gewalttaten.

Antimuslimischer Rassismus ziehe sich durch alle Lebensbereiche - von der
Wohnungssuche über den Arztbesuch bis hin zur Schule. "Ein großer Teil der
dokumentierten Vorfälle trifft vor allem muslimische Frauen und findet im
Bildungsbereich sowie im öffentlichen Raum statt", teilte die Allianz mit.
Körperliche und verbale Angriffe richten sich demnach auch gegen Kinder.
Insbesondere seit dem terroristischen Angriff der Hamas in Israel am 7. Oktober
2023 habe man zudem einen sprunghaften Anstieg antimuslimischer Vorfälle
festgestellt.

Wie Politik und Polizei auf das Lagebild reagieren

Bundesfamilienministerin Lisa Paus bezeichnete die Zunahme von
antimuslimischen wie auch antisemitischen Vorfällen als dramatisch. "Um
Rassismus in unserer Gesellschaft einzudämmen, ist Präventionsarbeit von klein
auf - also insbesondere bei Kindern und Jugendlichen - unerlässlich", betonte
die Grünen-Politikerin. Aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der
Polizei (GdP), Jochen Kopelke, ist es zentral, das Dunkelfeld schnellstmöglich
zu erhellen. Dafür sei der Ausbau von Online-Anzeigen erforderlich. "Die
muslimische Community muss und kann mehr Vertrauen in die Staatsanwaltschaften
und die Polizei legen. Dort nimmt man die von ihnen angezeigten Fälle sehr
ernst", sagte der GdP-Chef./fsp/abc/DP/jha

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