15.07.2024 09:27:41 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Chinas Wirtschaft schwächelt - Partei berät über Reformen

(neu: Industrieproduktion, Einzelhandel, Investitionen, VP Bank, Leitzins,
Pantheon Macroeconomics)

PEKING (dpa-AFX) - Der Auftakt eines wichtigen Treffens der Kommunistischen
Partei Chinas zum künftigen Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft wird von
schwachen Wirtschaftsdaten begleitet: Wie das Pekinger Statistikamt mitteilte,
wuchs die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal um 4,7 Prozent und damit
langsamer als von Analysten im Schnitt erwartet. Der Wert lag auch unter den
Wachstumsraten der beiden Vorquartale, als noch 5,3 und 5,2 Prozent erreicht
worden waren.

Weitere Konjunkturdaten zeichneten ein gemischtes Bild der chinesischen
Wirtschaft. So legte die Industrieproduktion im Juni im Vergleich zum Vorjahr
zwar nur um 5,3 Prozent zu nach 5,6 Prozent im Vormonat. Analysten hatten aber
eine stärkere Abschwächung erwartet.

Einzelhandel enttäuscht deutlich

Für eine herbe Enttäuschung aber sorgte der Umsatz im Einzelhandel. Dieser
stieg im Juni nur um 2,0 Prozent und damit deutlich moderater als noch im Mai.
Dies ist der schwächste Wert seit mehr als einem Jahr. Analysten hatten hier
lediglich mit einer leichten Eintrübung des Wachstums gerechnet.

Die Investitionen außerhalb des Landwirtschaftssektors zogen im ersten
Halbjahr wie erwartet um 3,9 Prozent an. Bis Ende Mai gerechnet hatte der Wert
4,0 Prozent betragen.

Die Veröffentlichung der Daten am Montag fiel auf den gleichen Tag, an dem
sich die Parteiführung in Peking zu ihrem sogenannten Dritten Plenum traf. Das
Treffen des Zentralkomitees, das in der Regel nur alle fünf Jahre stattfindet,
hat in der Vergangenheit oft wichtige Weichen für die langfristige
wirtschaftliche Entwicklung des Landes gestellt.

Historisch am bekanntesten ist das Dritte Plenum im Jahr 1978, auf dem
weitreichende Reformen eingeleitet wurden, die als Beginn der Reform- und
Öffnungspolitik Chinas gelten. Dieses Mal findet das Treffen mit deutlicher
Verspätung statt, was im Vorfeld für Unruhe gesorgt hatte.

High-Tech-Pläne sollen im Mittelpunkt stehen

Die viertägige Sitzung, so sagen Wirtschaftsvertreter, wäre für Peking eine
gute Gelegenheit, um Aufbruchstimmung zu verbreiten und damit der Wirtschaft und
den Märkten Rückenwind zu geben. Analysten hatten im Vorfeld jedoch gedämpfte
Hoffnungen für kurzfristige Impulse.

"Das Dritte Plenum wird das kollektive Bemühen in den Vordergrund stellen,
damit China seine Ziele der technologischen Unabhängigkeit und Modernisierung
der Industrie erreicht", glaubt Jeroen Groenewegen-Lau vom China-Institut Merics
in Berlin: "Vorübergehende Wohlstandsverluste werden in Kauf genommen", so der
China-Experte. Ob und wann etwaige Erfolge bei der Bevölkerung ankommen, darüber
werde das Plenum voraussichtlich keine genaue Auskunft geben.

Auch Chinas Staatspresse legte im Vorfeld des Treffens ihren Fokus auf
Bestrebungen der Führung, China zu einer High-Tech-Macht zu machen. Es werde mit
der Vorlage eines "Fahrplans für die kontinuierliche Vertiefung der Reformen"
gerechnet, zitierte die Staatszeitung "Global Times" kurz vor dem Plenum
namentlich nicht genannte Experten.

Das Parteitreffen finde demnach in einer Zeit statt, "die von Veränderungen
geprägt ist, wie es sie seit einem Jahrhundert nicht mehr gegeben hat". Es werde
ein klarer Weg für "das Streben des Landes nach einer qualitativ hochwertigen
Entwicklung" aufgezeigt werden.

Kurzfristige Hilfen bleiben auf der Strecke

Immer wieder beschworen werden auch die "neuen Produktivkräfte". Bei dem von Staats- und Parteichef Xi Jinping geprägten Begriff geht es darum, die
wirtschaftliche Entwicklung durch die Schaffung moderner Industriezweige
voranzutreiben. Im Aufstieg zu einer High-Tech-Nation sieht Chinas Führung auch
die Antwort auf einen aus ihrer Sicht immer chinafeindlicher gesinnten Westen.

Der Aufbau einer modernen Industrie sei zwar sinnvoll, jedoch seien derzeit
auch andere Maßnahmen erforderlich, um bestehenden Problemen zu begegnen, warnen
Ökonomen. Um nachhaltig zu wachsen, solle China die Inlandsnachfrage ankurbeln
und die Wirtschaft auf Konsum ausrichten, empfahl jüngst der Internationale
Währungsfonds (IWF).

Was bei der Umsetzung von Xis High-Tech-Ambitionen derzeit auf der Strecke
bleibe, seien die Alltagssorgen vieler Chinesen, sagen Kritiker. Der Konsum
stockt, weil viele Haushalte ihr Geld lieber für unsichere Zeiten sparen.

Krise auf dem Immobilienmarkt

Sorgen bereiten vielen Familien vor allem die anhaltende Krise auf dem
Immobilienmarkt und eine hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem junge Leute haben
Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Hier, so fürchten Beobachter, könnte das
"Dritte Plenum" nicht die erhofften Antworten liefern.

"Es ist nicht davon auszugehen, dass die chinesischen Wachstumsraten rasch
wieder auf ein höheres Niveau einschwenken", schrieb Thomas Gitzel,
Chefvolkswirt der VP Bank. Mehr noch, die Gefahr sei groß, dass die Zuwachsraten
beim Wirtschaftswachstum mittelfristig noch kleiner ausfallen.

Das Land steht Gitzel zufolge vor zahlreichen Herausforderungen: "Der
Immobilienboom ist zu Ende, der Welthandel lahmt und wird durch Strafzölle
gegenüber China zusätzlich erschwert." Angesichts eines dramatischen
demografischen Wandels als Folge der Ein-Kind-Politik werde das bisherige
chinesische Wachstumsmodell infrage gestellt.

Notenbank hält still

Trotz der schwachen Wirtschaftsdaten hielt Chinas Notenbank den Leitzins MLF konstant. Der einjährige Zinssatz der mittelfristigen Kreditfazilität (MLF)
blieb auf 2,50 Prozent. Die Entscheidung der People's Bank of China (PBoC) war
von Analysten im Schnitt erwartet worden.

Der Leitzins MLF liegt seit dem vergangenen Sommer bei 2,5 Prozent. Mit der
Entscheidung, den Leitzins unverändert zulassen, gibt die Zentralbank der
zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt der Währungsstabilität den Vorzug vor
niedrigeren Kreditkosten.

Die PBoC bereite sich darauf vor, auf dem Anleihemarkt zu intervenieren und
die langfristigen Renditen in die Höhe zu treiben, um die Markterwartungen in
Bezug auf Chinas Wachstums- und Inflationsaussichten zu stärken und die Währung
zu stützen, schrieb Volkswirt Duncan Wrigley von Pantheon Macroeconomics. "Die
Währungshüter werden sich weiterhin hauptsächlich auf die Finanzpolitik
verlassen, um das Wachstum zu fördern", resümierte der
Experte./jpt/DP/zb/la/jha/

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