23.05.2024 08:13:43 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Israel will Geisel-Verhandlungen fortsetzen - Die Nacht im Überblick

(Aktualisierung: US-Verteidigungsminister)

TEL AVIV/GAZA/KAIRO (dpa-AFX) - Israels Regierung will nach der
Veröffentlichung verstörender Videoaufnahmen von der Entführung fünf
israelischer Soldatinnen die Gespräche über eine Freilassung aller noch im
Gazastreifen festgehaltenen Geiseln wieder aufnehmen. Das Kriegskabinett wies
das Verhandlungsteam an, die Bemühungen um eine Freilassung der Entführten
fortzusetzen, berichteten israelische Medien in der Nacht zum Donnerstag unter
Verweis auf eine Erklärung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Währenddessen protestierten in Tel Aviv und in Jerusalem Tausende Menschen und
forderten die sofortige Freilassung der Geiseln, die während des Hamas-Massakers
am 7. Oktober verschleppt worden waren. Die Familien der Entführten riefen die
israelische Regierung dazu auf, "nicht einen einzigen Moment mehr zu vergeuden"
und sofort an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Ägypten droht mit Rückzug als Gaza-Vermittler

Unterdessen hat Ägypten mit dem Rückzug von seiner Rolle als Vermittler im
Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas gedroht. Da die
Konfliktparteien nicht direkt miteinander verhandeln, fungieren Ägypten, Katar
und die USA als Vermittler. Andauernde Versuche, die ägyptischen
Vermittlungsbemühungen und die Rolle Ägyptens mit falschen Behauptungen in
Zweifel zu ziehen, würden die Situation im Gazastreifen und in der gesamten
Region nur weiter verkomplizieren, erklärte Diaa Rashwan, Chef des staatlichen
ägyptischen Informationsdienstes, am Mittwochabend in einer in sozialen Medien
verbreiteten Mitteilung. Dies könne "die ägyptische Seite zu der Entscheidung
veranlassen, sich vollständig aus der Vermittlungstätigkeit in dem Konflikt
zurückzuziehen".

Er reagierte damit auf einen CNN-Bericht, wonach der ägyptische Geheimdienst einen von Israel akzeptierten Vorschlag für eine Waffenruhe ohne Rücksprache mit
den anderen Vermittlern geändert und um weitere Forderungen der Hamas ergänzt
haben soll. Als die Islamisten einer Vereinbarung am 6. Mai zustimmten, habe
diese nicht dem Vorschlag entsprochen, von dem die anderen Vermittler dachten,
dass er der Hamas zur Prüfung vorgelegt worden sei, berichtete der Sender unter
Berufung auf drei mit den Beratungen vertraute, namentlich nicht genannte
Personen. Der Vorfall habe für enormen Ärger gesorgt und die Gespräche in die
Sackgasse geführt.

US-Verteidigungsminister ruft Israel zu Einigung mit Ägypten auf

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach unterdessen mit dem
israelischen Verteidigungsminister Joav Galant über die Lage an den
Grenzübergängen Rafah und Kerem Schalom im Süden des Gazastreifens, wie das
Pentagon mitteilte. Austin habe den Verbündeten aufgerufen, die Gespräche mit
Ägypten über eine Wiederöffnung des Grenzübergangs Rafah und den Fluss von
Hilfsgütern aus Ägypten über Kerem Schalom zu einem Ergebnis zu führen. Rafah
ist nach der kürzlichen Übernahme der palästinensischen Seite durch Israels
Armee geschlossen. Ägypten habe darauf bestanden, dass die Lieferungen erst
wieder aufgenommen werden könnten, wenn die palästinensische Seite des Übergangs
wieder unter palästinensischer Kontrolle stehe, schrieb die "Times of Israel".

Ägypten soll zudem Lieferungen über Kerem Schalom gestoppt haben. Die
Ägypter wollten nach der Übernahme der palästinensischen Seite des Übergangs in
Rafah durch die Israelis nicht als deren Komplize erscheinen, indem nun
stattdessen die Hilfe über Karem Schalom laufe, schrieb "Politico". Kerem
Schalom liegt etwa drei Kilometer von Rafah entfernt. Austin habe gegenüber
Galant die dringende Notwendigkeit betont, die humanitäre Hilfe für den
Gazastreifen über alle verfügbaren Grenzübergänge zu verstärken, teilte das
Pentagon mit.

Israels Vorstoß in Rafah hat nach Darstellung der US-Regierung bislang nicht das Ausmaß erreicht, vor dem sie ihren Verbündeten gewarnt hat. "Die bisherigen
israelischen Militäroperationen in diesem Gebiet waren gezielter und begrenzter
und umfassten keine größeren Militäroperationen im Zentrum dicht besiedelter
städtischer Gebiete", sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden,
Jake Sullivan, am Mittwoch in Washington.

Netanjahu zu Geisel-Video: Tun alles für ihre Rückholung

In dem zuvor in Israel veröffentlichten Video, einem Zusammenschnitt von
Bodycam-Aufnahmen der Terroristen, sind verletzte, teilweise blutüberströmte
junge Frauen mit ihren schwer bewaffneten Entführern zu sehen. Die Frauen waren
im Grenzgebiet zum Gazastreifen als Späherinnen der Armee im Einsatz gewesen.
Sie sind offensichtlich verängstigt und haben die Arme hinten den Rücken
gebunden. Terroristen schreien sie immer wieder an und bedrohen sie. Die Eltern
der Frauen hatten der Veröffentlichung des Videos in der Hoffnung zugestimmt,
dass die schlimmen Bilder zur Freilassung ihrer Töchter und anderer Geiseln
infolge eines Deals zwischen Israel und der Hamas beitragen könnten.

Israels innenpolitisch unter Druck stehender Regierungschef Netanjahu
äußerte sich nach der Veröffentlichung des Videos: "Wir werden weiterhin alles
tun, um sie nach Hause zu bringen", versprach er laut der israelischen
Nachrichtenseite "Ynet". "Die Grausamkeit der Hamas-Terroristen bestärkt mich
nur darin, mit aller Kraft für die Eliminierung der Hamas zu kämpfen, damit sich
das, was wir heute Abend gesehen haben, niemals wiederholen kann."

Bei dem beispiellosen Terrorüberfall der Hamas im israelischen Grenzgebiet
am 7. Oktober waren rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als
Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Der Anschlag löste Israels
militärische Offensive in dem abgeriegelten Küstengebiet aus, bei der nach
Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35
700 Menschen getötet wurden. Bei der unabhängig kaum zu überprüfenden Zählung
wird nicht unterschieden zwischen Kämpfern und Zivilisten.

Galant treibt Wiederaufbau von Siedlungen im Westjordanland voran

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant treibt unterdessen die
Wiederbesiedlung von vier Ortschaften im nördlichen Westjordanland voran, die
2005 geräumt worden waren. Als "historischen Schritt" bezeichnete Galant laut
Medienberichten am Mittwoch die Aufhebung von Anordnungen, die Israelis verboten
hatten, das Gebiet der ehemaligen Siedlungen Ganim, Kadim und Sanur zu betreten.
Der Zutritt zu einer vierten Siedlung war bereits zuvor genehmigt worden.

Israel eroberte während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das
Westjordanland und Ost-Jerusalem. Rund 700 000 Israelis leben dort heute in mehr
als 200 Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete diese Siedlungen 2016 als
völkerrechtswidrig und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu
stoppen. Die Palästinenser wollen im Westjordanland, dem Gazastreifen und
Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten./ln/DP/stk

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