20.06.2024 14:20:40 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2/Asylverfahren in Drittstaaten: Faeser dämpft Erwartungen

BERLIN/POTSDAM (dpa-AFX) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit Blick
auf eine mögliche Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der
Europäischen Union die Erwartungen gedämpft. Das könne ein "Bausteinchen" sein,
würde aber nicht die Migrationslage in Deutschland grundlegend ändern, sagte die
SPD-Politikerin am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz von Bund und
Ländern (IMK) in Potsdam. Faeser verwies auf das italienische Modell mit
Albanien und sagte: "Da ist eine Höchstgrenze von 3000 Geflüchteten vereinbart.
Das ist auch ein sehr kleiner Teil." Eine wirkliche Reduzierung der Zahl der
Asylsuchenden werde über eine Drittstaaten-Regelung nicht gelingen. Es nicht der
"Gamechanger", betonte Faeser. Großbritannien etwa habe 18 Monate verhandelt und
noch kein tragfähiges Modell.

Auch der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU),
bewertet Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten mit einer gewissen
Skepsis. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei
(CDU), glaubt dagegen, dass es durchaus machbar wäre und zur Lösung von
Problemen mit irregulärer Migration beitragen könnte.

IMK-Vorsitzender: Drittstaaten-Verfahren sehr kompliziert

"Das ist ein mögliches Projekt, was sehr kompliziert sein wird, was auch
rechtlich nicht einfach einzuordnen sein wird", sagte Stübgen. Er fügte hinzu:
"Aber ich lasse mich gerne überzeugen davon, dass das versucht werden sollte."
Großbritannien, wo das Modell mit sehr großem Aufwand betrieben werde, sei
bisher nicht sehr erfolgreich in dieser Frage, sagte Stübgen, der derzeit den
Konferenz-Vorsitz innehat.

Die konservative britische Regierung bemüht sich seit langem darum,
Menschen, die ohne Erlaubnis einreisen, nach Ruanda zu bringen. Sie sollen dort
Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Italien
will die Asylverfahren für einen Teil der geretteten Bootsmigranten nach
Albanien auslagern.

Das Modell der sicheren Drittstaaten für Asylbewerber wäre
verfassungsrechtlich machbar, betonte Frei, es hänge nur davon ab, "ob die
Ampel-Regierung den politischen Willen dazu aufbringt". Scholz müsse eine
Kurskorrektur in der Migrationspolitik einläuten, forderte Frei.

FDP-Fraktionsvize schlägt Pilotprojekt vor

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Konstantin Kuhle, sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Um dieses Vorhaben voranzubringen, sollte
der Bund schnellstmöglich ein Pilotprojekt starten, um eigene Erfahrungen zu
sammeln." Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur, er befürworte nicht das
britische Ruanda-Modell, sondern sei vielmehr dafür, europäische Asylprüfungen
in Transitstaaten zu ermöglichen.

Faeser wurde am späten Nachmittag in Berlin bei einer Runde von
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten erwartet. Dort soll
sie die Ergebnisse einer Prüfung ihres Ministeriums zu rechtlichen und
praktischen Voraussetzungen verschiedener Modelle einer Drittstaaten-Regelung
vortragen. Die Frage, welches Land womöglich bereit sein könnte, Asylbewerber
aus Deutschland zu übernehmen, wurde dabei noch nicht beleuchtet.

Faeser erwartet Entlastung durch Umsetzung der EU-Asylreform

Faeser sagte in Potsdam, sie setze vor allem auf die bereits beschlossene
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Vor allem die geplanten
Asylzentren an den Außengrenzen, wo die Schutzersuchen von Menschen aus Staaten
mit niedriger Anerkennungsquote geprüft werden sollen, "werden uns hier massiv
entlasten".

Die Bundesregierung hatte mit den Bundesländern im November vereinbart, die
Möglichkeit von Asylverfahren außerhalb der EU zu prüfen.

Zur Debatte um Abschiebungen von Schwerkriminellen und sogenannten
Gefährdern nach Afghanistan und Syrien sagte Stübgen: "Tatsache ist, wir müssen
dort vorankommen. (...) Und ich glaube auch, die Bevölkerung erwartet, dass
solche Menschen nicht länger in diesem Land bleiben." Er halte es für notwendig,
zunächst mit Syrien zu beginnen. "Dort sind die rechtlichen Bedingungen andere,
aber dann muss die Bundesregierung, insbesondere die Bundesaußenministerin,
endlich mal anfangen, diplomatische Stränge so aufzubauen, dass man dies
organisieren kann." Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim
hatte zuvor auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung
von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder zu
ermöglichen./mow/DP/jha

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