23.06.2024 14:58:53 - dpa-AFX: Vogelgrippe in Finnland: stärkere Anpassung an Säugetiere

STOCKHOLM (dpa-AFX) - Über Vogelgrippe-Ansteckungen bei Kühen in den USA
wird derzeit viel berichtet - doch auch in Europa gab es schon Ausbrüche unter
Säugetieren. Zwischen Juli und Oktober 2023 sei bei Tieren in 27 Pelztierfarmen
in Finnland H5N1 nachgewiesen worden, berichtet die EU-Gesundheitsbehörde ECDC
im schwedischen Stockholm nun. Analysen zeigten dort eine deutliche Anpassung
des Virus an Säugetiere.

Experten befürchten, dass sich das Vogelgrippe-Virus im Zuge solcher
Ausbrüche immer besser an andere Tiere und womöglich auch den Menschen anpasst.
In den USA wurde Ende Mai ein dritter Vogelgrippe-Fall bei einem Menschen nach
Kontakt mit Kühen erfasst. Erstmals gebe es typischere Symptome einer akuten
Atemwegserkrankung wie Husten, hieß es von der US-Gesundheitsbehörde CDC.

Hohe Viruslast in Milch

Betroffen war demnach ein Mitarbeiter eines Milchviehbetriebes im
US-Bundesstaat Michigan. Angesichts des Ausmaßes der Ausbreitung des Virus bei
Milchkühen sei mit weiteren Fällen in den USA zu rechnen. Das ursprünglich in
Vogelpopulationen vorkommende H5N1-Virus kursiert seit Monaten bei Kühen in den
USA. In Milchproben erkrankter Tiere wurden zum Teil hohe Viruslasten
nachgewiesen.

Versuche am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems bei
Greifswald haben ergeben, dass auch die in Deutschland kursierende H5N1-Form
Kühe infizieren kann. Das Virus habe sich im Euter vermehrt und die Milchkühe
hätten eindeutige Krankheitssymptome wie starken Milchbildungsrückgang,
Veränderung der Milchkonsistenz und Fieber gezeigt, teilte das
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit mit.

Risiko derzeit unverändert

Die Risikoeinschätzung des FLI ändere sich durch das Zwischenergebnis des
Experimentes nicht, hieß es. Sowohl das Risiko des Eintrags des
US-amerikanischen H5N1-Stammes in deutsche Rinderbestände als auch das Risiko
der Infektion von Rindern mit in Europa vorkommenden H5-Viren werde für
Deutschland als sehr gering eingeschätzt. Dennoch empfahl das FLI eine erhöhte
Aufmerksamkeit.

Der Ausbruch auf den Pelztierfarmen in Finnland werde auf Wildvögel als
Ursprung zurückgeführt, hieß es von der ECDC. Höchstwahrscheinlich habe es aber
auch indirekte und direkte Übertragungen zwischen Pelztieren gegeben, also nicht
nur Übertragungen vom Vogel auf ein Pelztier. Der Erreger der H5N1-Linie
2.3.4.4b habe schwere Entzündungen in den Lungen, Gehirnen und Lebern der
Füchse, Nerze und Marderhunde verursacht.

Vor allem neurologische Symptome

Zu den häufigsten Symptomen gehörten neurologische wie Zittern,
Desorientierung und Apathie, während Atemwegssymptome weniger häufig auftraten.
Viele der betroffenen Tiere starben. Das unterstreiche "die ernsten Risiken, die
mit möglichen Fällen beim Menschen verbunden sind", so die EU-Behörde.

Die festgestellten Veränderungen im Erbgut des Erregers gingen mit einer
erhöhten Anpassungsfähigkeit an Säugetiere einher. Das Potenzial für
Ansteckungen von Menschen bei direktem oder indirektem Kontakt mit infizierten
Nutztieren, Wildvögeln oder anderen Wildtieren sowie mit kontaminierten
Materialien oder Futtermitteln könne sich dadurch erhöhen.

Bisher seien keine Infektionen beim Menschen im Zusammenhang mit dem
Ausbruch in Finnland gemeldet worden, teilte die ECDC mit. Der Ausbruch
verdeutliche aber die anhaltende Bedrohung durch H5N1 und die Bedeutung von
Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen. In Finnland sei rasch die Tötung der Tiere
betroffener Betriebe sowie eine Verschärfung der Vorschriften für Pelztierfarmen
angeordnet worden.

Globaler Ausbruch

Die Vogelgrippe oder Aviäre Influenza wird wie die Grippe beim Menschen
durch Influenza-A-Viren hervorgerufen, allerdings durch andere Subtypen. Derzeit
grassiert die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle, die sich über fast die
gesamte Erde erstreckt und auch Europa betrifft. Der Erreger befällt vor allem
Vögel, wurde aber auch bei vielen Säugetieren gefunden, darunter Katzen, Bären
und Robben.

Menschliche Infektionen traten bisher nur vereinzelt auf.
Gesundheitsexperten warnen aber vor der Gefahr, dass sich das Virus an den
Menschen anpasst und dann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält die von der Vogelgrippe bei Kühen
ausgehende Gefahr für Menschen derzeit noch für gering, mahnte aber alle Staaten
zu erhöhter Aufmerksamkeit für mögliche Infektionen.

Die EU-Kommission hat kürzlich 665 000 Dosen eines speziellen Impfstoffes
gesichert. Er ist etwa für das Personal von Geflügelfarmen und Tierärzte
bestimmt, deren Risiko für Kontakte mit der Vogelgrippe besonders hoch
ist./kll/DP/he

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