26.04.2024 14:31:16 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Kretinsky-Firma steigt in Thyssenkrupp-Stahlsparte ein - Kurssprung

(neu: Kurs, Details und mehr Hintergrund)

ESSEN (dpa-AFX) - Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel
bekommt ein Energieunternehmen als Miteigentümer. Der tschechische Milliardär
Daniel Kretinsky übernimmt mit seiner Holding EPCG zunächst 20 Prozent der
schwächelnden Stahlsparte des Industriekonzerns Thyssenkrupp .
Über die Übernahme von weiteren 30 Prozent am Stahlgeschäft wird verhandelt.
Ziel sei weiterhin die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide
Partner je 50 Prozent halten, teilte Thyssenkrupp am Freitag in Essen mit.
Finanzielle Details blieb der Konzern schuldig. Arbeitnehmervertreter äußerten
sich kritisch und forderten die Einhaltung von Tarifverträgen.

Am Finanzmarkt starteten die Aktien nach der sich abzeichnenden Lösung eine
Erholungsrally, zwischenzeit lag der Kurs zweistellig im Plus. Am frühen
Nachmittag zogen die Titel im freundlichen MDax noch um acht
Prozent auf 4,81 Euro an. Damit machten sie zudem die Hälfte des Verlusts wieder
wett, den sie im Zuge des Abwärtstrends der vergangenen zwei Wochen erlitten
hatten. Seit Jahresbeginn steht bei Thyssenkrupp aber immer noch ein Minus von
gut 23 Prozent zu Buche, womit die Aktien zu den größten Verlierern im Index der
mittelgroßen deutschen Börsenunternehmen gehören.

Analyst Moses Ola von der US-Bank JPMorgan sprach von einem ersten Schritt
für das angestrebte gleichberechtigte Joint Venture. Die damit verbundene,
vollständige unternehmerische Eigenständigkeit des Bereichs wäre der beste Weg
für Thyssenkrupp, dessen Wert zu heben, die eigene Bilanz zu stärken und den
Abfluss von Barmitteln zu stoppen. Da Thyssenkrupp Steel Europe bis dahin voll
in der Bilanz konsolidiert werde, rechne er aktuell aber nicht mit Veränderungen
bei den Konsensschätzungen.

Es blieben noch viele Fragen unbeantwortet, und der weitere Weg werde nicht einfach, bemerkte Experte Christian Obst von der Baader Bank. Sollten nach den
massiven Abschreibungen im Schlussquartal 2023 nun keine neuen dazukommen,
dürfte der Konzern von Kretinsky 350 bis 400 Millionen Euro für die Veräußerung
des 20-Prozent-Anteils erhalten. Indes steige jetzt der Druck, zusammen mit dem
neuen Partner eine langfristige Strategie zu definieren.

"Gemeinsam wollen wir ein leistungsstarkes, profitables und
zukunftsorientiertes Stahlunternehmen schaffen", sagte
Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López. Das Unternehmen werde die Kosten der
Dekarbonisierung auf ein wettbewerbsfähigeres Niveau senken und so die grüne
Transformation der Stahlindustrie auf dem Weg zur CO2-Neutralität beschleunigen.
"Ein starker Energiepartner wie die EP Corporate Group ist dafür essenziell."
Kretinsky betonte: "EPCG (...) ist finanziell stark aufgestellt, wächst und ist
ein zuverlässiger Anbieter von Energie und Dienstleistungen für unsere Kunden."
Gemeinsam werde man einen wichtigen Beitrag bei der Dekarbonisierung der
Stahlindustrie leisten.

Thyssenkrupp verwies auf den stark steigenden Energiebedarf bei der
Umstellung auf klimafreundlichere Herstellungsverfahren. EPCG soll laut der
Mitteilung als strategischer Partner seine Kompetenzen einbringen, um eine
ausreichende Versorgung mit Energie in Form von Wasserstoff, Grünstrom sowie der
Bereitstellung von anderen Energierohstoffen zu gewährleisten. Das in neun
europäischen Märkten aktive Unternehmen bringe als Energiehändler, -versorger
und -lieferant umfangreiche Branchenkenntnisse mit. Thyssenkrupp hatte
die Verhandlungen mit Kretinsky über dessen Einstieg ins Stahlgeschäft Ende
November öffentlich gemacht.

Die Übernahme des Anteils soll noch im laufenden Geschäftsjahr 2023/24
erfolgen, das am 30. September endet. Behörden und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp
müssen noch zustimmen. Auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen und
Tarifverträge habe die Transaktion keinen Einfluss, betonte das Unternehmen.

Generell blieb Thyssenkrupp weitere Details zu der Transaktion schuldig. Wie das "Handelsblatt" am Freitag berichtete, sehen die Konditionen vor, dass
Kretinsky nach einem halben Jahr wieder aus dem Deal aussteigen könne, sollte er
mit dem weiteren Verlauf des Konzerns unzufrieden sein - und zwar zum gleichen
Preis. Dafür müssten bestimmte Kriterien zutreffen. Der Kaufpreis für die 20
Prozent liege im niedrigen dreistelligen Millionenbereich, heiße es von mit dem
Vorgang vertrauten Personen - und somit unter dem Buchwert, schreibt das Blatt.
Zum Kaufpreis wollte sich López in einer Telefonkonferenz nicht äußern, zum
Thema Ausstiegsklausel sagte er nur, dass es "Regelungen" gebe.

Im vergangenen Geschäftsjahr musste Thyssenkrupp Milliarden auf das
Stahlgeschäft abschreiben, das unter einer schwachen Nachfrage sowie gesunkenen
Preisen, gepaart mit höheren Kosten leidet. Thyssenkrupp hatte vor Kurzem den
Abbau von Kapazitäten am Standort Duisburg angekündigt, der auch zu einem
weiteren Stellenabbau führen wird. In der Sparte des Thyssenkrupp-Konzerns
arbeiten rund 27 000 Menschen, davon 13 000 in Duisburg. Fast alle Standorte
liegen in Nordrhein-Westfalen.

Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp äußerten sich kritisch zum geplanten
Einstieg. Die Nachricht komme überraschend, sagte der stellvertretende
Aufsichtsratsvorsitzende des Mutterkonzerns Thyssenkrupp, Jürgen Kerner, laut
einer Mitteilung. "Die Mitbestimmung hat nur wenige Stunden vor der
Öffentlichkeit von der Entscheidung erfahren. Das ist kein guter Stil und kein
guter Start." Kerner ist auch stellvertretender IG-Metall-Vorsitzender.

Die Arbeitnehmerseite habe sich nie prinzipiell gegen einen Investor
ausgesprochen. "Aber wir erwarten Beteiligung der Mitbestimmung auf Augenhöhe
und verbindliche Zusagen", forderte Kerner. Nötig sei jetzt ein tragfähiges
Zukunftskonzept für den weiteren Umbau Richtung grünen Stahl./nas/tob/DP/jha/
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
THYSSENKRUPP AG O.N. 750000 Frankfurt 3,191 31.10.24 19:22:08 -0,035 -1,08% 0,000 0,000 3,265 3,226

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