09.07.2024 23:17:16 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP 2: Spanien jubelt dank Yamal - Über Frankreich ins Finale

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MÜNCHEN (dpa-AFX) - Junior-Künstler Lamine Yamal warf voller Erleichterung
seine blaue Wasserflasche auf den Rasen, seine spanischen Teamkollegen fielen
sich glücklich in die Arme und tanzten ausgelassen vor den Fans. Als der
EM-Finalist vor der Kurve für ein Mannschaftsfoto posierte, war Frankreichs
Kapitän Kylian Mbappé längst bitter enttäuscht vom Platz geschlichen.

Deutschland-Bezwinger Spanien um den jüngsten EM-Torschützen Yamal hat auch
Frankreichs Minimalisten-Fußballer aus dem Weg geräumt und will sich nun zum
EM-Rekordsieger krönen. In einem hochintensiven Halbfinal-Kräftemessen bezwang
die Mannschaft von Nationaltrainer Luis de la Fuente den zweimaligen Titelträger
um den endlich von der Maske befreiten Mbappé mit 2:1 (2:1).

"Es ist unglaublich"

"Wir sind im Finale, das ist die Hauptsache. Jetzt geht es Richtung Titel",
sagte Yamal nach dem Einzug ins Endspiel. Das Wochenende könnte für den Teenager
neben dem 17. Geburtstag am Samstag auch die silberne EM-Trophäe am Sonntag
(21.00 Uhr/ARD und MagentaTV) bringen. "Es fehlt noch ein Schritt. Es ist
unglaublich. Wir verdienen es, im Finale zu sein", sagte Torschütze Dani Olmo
von RB Leipzig. Besonders lobend hob auch er Teamkollege Yamal hervor: "Lamine
hat ein Super-Tor geschossen."

Spanien peilt nach 1964, 2008 sowie 2012 den vierten EM-Triumph an. Im
Finale von Berlin wollen sich die spanischen Fußball-Artisten um Zauberlehrling
Yamal, der vor rund 65.000 Zuschauern in München mit gerade einmal 16 Jahren und
362 Tagen den Ausgleich erzielt hatte, auch nicht von England oder den
Niederlanden entzaubern lassen. Auf die Frage nach einem Wunschgegner sagte
Olmo: "Das ist egal."

Imposante Frankreich-Serie endet

Das Führungstor der Franzosen durch den ehemaligen Frankfurter Randal Kolo
Muani in der 9. Minute schreckte die Spanier im sommerlichen München nicht
sonderlich. Jungstar Yamal, der zum Spieler des Spiels gewählt wurde, mit einem
traumhaften Schlenzer (21.) und Olmo (25.) bescherten der Équipe Tricolore die
erste K.-o.-Niederlage nach 90 Minuten seit 2014. Damals war im WM-Viertelfinale
Endstation gegen den späteren Titelträger Deutschland (0:1) gewesen.

Wenn das begeisternde und nervenaufreibende Viertelfinale zwischen
EM-Gastgeber Deutschland und Spanien (1:2 nach Verlängerung) das vorgezogene
Finale war, was war dann dieses Halbfinale der Iberer gegen Frankreich? Auch
nicht weniger als ein vorgezogenes Finale. Ein Kracher mit sehenswerten Toren
und hoher Intensität. Von Beginn an.

Superstar Mbappé trat erstmals nach seinem Nasenbeinbruch, den er im
französischen Eröffnungsspiel gegen Österreich (1:0) erlitten hatte, wieder ohne
Maske auf. Der neue Star von Real Madrid wirkte wie von einer Last befreit und
stellte den schon 38 Jahre alten Jesus Navas - neben Nacho und dem Leipziger
Olmo einer von drei Neuen in der Anfangsformation der La Roja - auf der rechten
spanischen Abwehrseite vor eine Daueraufgabe.

Dauerpfiffe gegen Cucurella

Eine Nervenprobe erlebte auf der linken Seite Marc Cucurella. Der
Außenverteidiger mit dem mächtigen Lockenkopf wurde deutlich hörbar bei jedem
Ballkontakt ausgepfiffen. Warum? Das hatte mit dem Deutschland-Aus zu tun.

Viele Fans verübelten dem Abwehrspieler des FC Chelsea sein Handspiel im
Viertelfinale. Cucurella hatte einen Schuss von Jamal Musiala an die nicht
direkt am Körper anliegende Hand bekommen. Einen Elfmeter hatte es dafür nicht
gegeben. Spanische Anhänger reagierten auf die Pfiffe und initiierten mehrmals
Cucurella-Sprechchöre.

Der erste Jubelschrei gehörte aber Frankreich, das sich mit einem biederen
Fußball-Ansatz und zuvor nur drei Treffern durch das Turnier gemüht hatte. Eine
Flanke Mbappés versenkte Kolo Muani aus fünf Metern mit dem Kopf - es war der
Auftakt eines rassigen Fußballabends.

Yamal schießt sich in EM-Rekordbücher

Die Spanier konterten mit einem genialen Moment von Supertalent Yamal,
dessen Traumtor aus 25 Metern den linken Innenpfosten touchierte und im Kasten
des machtlosen Schlussmanns Mike Maignan landete.

Das Juwel des FC Barcelona löste mit seinen 16 Jahren den Schweizer Johan
Vonlanthen als jüngsten EM-Torschützen ab. Vonlanthen war 2004 bei seinem
Treffer beim 1:3 der Schweiz gegen Frankreich 18 Jahre und 141 Tage alt gewesen.

"Ich fühle mich gut, die Mannschaft fühlt sich gut. Wir wollen eine klare
Botschaft an unsere Fans senden: Nämlich dass wir Zuversicht haben und gut
spielen wollen", sagte Dani Olmo vor dem Start in das Gigantenduell.

Der Leipziger, gegen Deutschland mit einem Tor und einer Vorlage der
entscheidende Akteur, unterstrich seine couragierten Aussagen auch auf dem
Rasen. Eine abgefälschte Flanke von Jesus Navas landete im Sechzehner vor seinen
Füßen. Den wuchtigen Schuss konnte auch Frankreichs rechter Außenverteidiger
Jules Koundé kurz vor der Torlinie nicht mehr abwehren.

Deschamps-Wechsel ohne Wirkung

Spanien hatte auch nach dem Wechsel die Franzosen weitgehend im Griff.
Gefährlich wurde die Équipe Tricolore vor allem nach Standards. Die Kopfbälle
von Aurélien Tchouaméni (53.) oder Dayot Upamecano (63.) brachten Torhüter Unai
Simon aber nicht in Bedrängnis. Der Schuss von Mbappé (56.) aus acht Metern auf
das Tor des spanischen Schlussmanns hatte schon Seltenheitswert.

Didier Deschamps musste reagieren. Endlich kam Wahl-Spanier Antoine
Griezmann, der schon mit 14 Jahren Frankreich verlassen hatte, aber diesmal
zunächst gegen Ousmane Dembélé auf der Bank hatte Platz nehmen müssen. Viel fiel
ihnen in der Offensive aber weiter nicht ein. Auf einen genialen Moment Mbappés
hoffte Frankreich vergeblich./mom/DP/he

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