18.06.2024 06:30:20 - dpa-AFX: ROUNDUP: Zusammenstöße bei Protesten gegen Netanjahu - Die Nacht im Überblick

JERUSALEM/GAZA (dpa-AFX) - Bei neuen Protesten gegen die Regierung des
israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem ist es zu
Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen. Mindestens
drei Menschen seien verletzt und acht weitere am Montagabend festgenommen
worden, berichtete die Zeitung "Haaretz". Die Demonstranten forderten Neuwahlen
und ein Abkommen, das zur Freilassung der noch verbliebenen israelischen Geiseln
aus der Gewalt der islamistischen Hamas führt.

Wenige Stunden zuvor hatte der Regierungschef das Kriegskabinett aufgelöst,
das wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Kämpfe der israelischen Armee mit
der Hamas im Gazastreifen und auch des Konflikts mit der Schiiten-Miliz
Hisbollah im Libanon getroffen hatte. Ein hochrangiger Berater von US-Präsident
Joe Biden traf sich unterdessen mit Netanjahu, um darüber zu beraten, wie die
eskalierenden Spannungen mit der Hisbollah entschärft werden könnten.

Zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Jerusalem kam es vor der
Privatresidenz Netanjahus. Die Polizei setzte nach Berichten von "The Times of
Israel" Wasserwerfer ein, um die Proteste aufzulösen. Zuvor hatten den Berichten
zufolge Zehntausende vor dem israelischen Parlament - der Knesset - an einer
Großkundgebung teilgenommen.

Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die
Regierung. Netanjahu wird von seinen Gegnern vorgeworfen, auf die Wünsche seiner
extremistischen Koalitionspartner einzugehen und deshalb Verhandlungslösungen zu
hintertreiben. Er bestreitet das und macht die Unnachgiebigkeit der Hamas für
die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Zuletzt nahm die
Intensität der Proteste gegen die Netanjahu-Regierung zu.

Auflösung des Kriegskabinetts

Die Auflösung des Kriegskabinetts erfolgte gut eine Woche nach dem Rückzug
von Minister Benny Gantz aus der israelischen Notstandsregierung. Aus
Regierungskreisen hieß es, Netanjahu werde kritische Entscheidungen mit Blick
auf die aktuellen Konflikte künftig in kleineren Foren besprechen.

Um nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer
palästinensischer Gruppen auf den Süden Israel am 7. Oktober des vorigen Jahres
Geschlossenheit zu demonstrieren, war Gantz dem dreiköpfigen Kriegskabinett
beigetreten. Der frühere General und Verteidigungsminister erklärte allerdings
vor einer Woche wegen Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf den Gaza-Krieg
seinen Rückzug. Er kritisierte, dass die Regierung keinen Plan für eine
Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeite.

Bei dem Terrorangriff am 7. Oktober wurden rund 1200 Menschen ermordet und
weitere 250 als Geiseln verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges
wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas
kontrollierten Gesundheitsbehörden inzwischen mehr als 37 000 Palästinenser
getötet.

Vermittlungsbemühungen im Konflikt Israel-Hisbollah

Der US-Gesandte Amos Hochstein traf sich laut Berichten der "Jerusalem Post" am Montag neben Netanjahu auch mit Gantz, Präsident Isaac Herzog sowie
Verteidigungsminister Joav Galant. Der Minister habe einen Lagebericht zu den
Entwicklungen an Israels Grenze zum Libanon im Norden gegeben, teilte demnach
Galants Büro mit. Er habe "die täglichen Angriffe durch die Hisbollah gegen
israelische Gemeinden geschildert" und die Bemühungen der Streitkräfte, die
Pläne der "Hisbollah-Terroristen" zu vereiteln.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als acht Monaten hat sich die Lage im
Grenzgebiet zum Libanon deutlich verschärft, inzwischen kommt es fast täglich zu
Gefechten. Die von Israels Erzfeind Iran unterstützte Hisbollah-Miliz ist mit
der Hamas im Gazastreifen verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger.
Zuletzt verstärkte die Hisbollah ihre Angriffe, nachdem das israelische Militär
in der vergangenen Woche einen ihrer Kommandeure gezielt getötet hatte.

Die USA warnen vor einer Ausweitung des Konflikts. "Wir wollen überhaupt
keine Eskalation im Norden. Das haben wir der Regierung Israels klargemachte",
sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag
(Ortszeit). Die Angriffe der Hisbollah seien "untragbar", aus Sicht der USA
sollte der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst werden. Nach Medienberichten
wollte Hochstein auch zu Gesprächen in den Libanon reisen.

Israels Armee sieht sich vor Erreichen der Kriegsziele in Rafah

Mit Blick auf die Kämpfe in Gaza gab sich die israelische Armee unterdessen
zuversichtlich, ihre militärischen Ziele bei der Offensive in der südlichen
Stadt Rafah bald zu erreichen. Die Hälfte der Kampfverbände der Hamas sei
zerschlagen, 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt befänden sich unter
"operativer Kontrolle" der israelischen Truppen, teilte die Armee am Montag mit.
Es werde nur mehr noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation
abgeschlossen sei.

Israels Armee hatte Anfang Mai den Einsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten gestartet. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der
Hamas. Das Vorhaben war international stark umstritten, weil sich damals mehr
als eine Million Palästinenser in Rafah aufgehalten hatten. Die meisten von
ihnen waren vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin geflohen.
Fast alle dieser Menschen flüchteten inzwischen aus der Stadt in ein westlich
gelegenes Gebiet, wo sie allerdings nur mit Schwierigkeiten versorgt werden
können./dg/DP/zb

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