07.07.2024 15:04:51 - dpa-AFX: Schwere Kämpfe im Osten - Ukraine unter Druck

KIEW (dpa-AFX) - Die schweren Kämpfe im Osten der Ukraine halten nach
Angaben der Militärführung in Kiew weiter an. "Am heißesten war die Lage heute
im Raum Pokrowsk, daneben war der Feind auch in Richtung Lyman und Kurachowe
aktiv", teilte der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht
mit. Alle drei genannten Städte liegen im ostukrainischen Gebiet Donezk. Im
Tagesverlauf sei es zu 123 Gefechten gekommen.

Allein 41 davon wurden demnach aus dem Raum Pokrowsk gemeldet. Bei Lyman und Kurachowe waren es 19 und 17 Attacken. Während nach Angaben des Generalstabs 29
Angriffe bei Pokrowsk inzwischen abgewehrt werden konnten, hielten 12 Kämpfe
weiter an. Die Verteidiger unternähmen alles, um die Lage zu stabilisieren und
ein Vordringen des Feindes tief in ukrainisches Gebiet zu verhindern, hieß es.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen
Angriffskrieg.

Russische Truppen rücken im Raum Pokrowsk vor

Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor am Tag in diesem Raum die Eroberung des Dorfes Sokil gemeldet. Der Heeresgruppe Zentrum sei durch aktives
Handeln gelungen, die Ortschaft einzunehmen und ihre taktische Lage zu
verbessern, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die ukrainische
Seite kommentierte dies zunächst nicht. Unabhängig lassen sich die Berichte der
Kriegsparteien oft nicht nachprüfen.

Allerdings hat das dem ukrainischen Verteidigungsministerium nahestehende
Portal "Deepstate" bereits Ende Juni den kleinen Flecken unmittelbar neben der
wesentlich größeren und lange umkämpften Ortschaft Otscheretyne als unter
russischer Kontrolle markiert. Sokil, das bei einer Volkszählung vor 20 Jahren
wenige Dutzend Einwohner hatte, liegt im Landkreis Pokrowsk. Pokrowsk gilt als
eins der möglichen Ziele des russischen Vormarsches in dem Raum.

Sokil taucht auch im Lagebericht des Generalstabs nicht mehr auf, dafür die
westlich davon gelegene Ortschaft Prohres. Nach Angaben des ukrainischen
Militärs sind im Raum Pokrowsk mehr als 180 russische Soldaten gefallen. Daneben
seien mehrere russische Militärfahrzeuge vernichtet worden. Unabhängig lassen
sich auch diese Angaben nicht überprüfen.

Der Frontabschnitt bei Pokrowsk gilt als vergleichsweise gefährdet. Nachdem
die russischen Truppen zu Jahresbeginn die Festung Awdijiwka einnehmen konnten,
rücken sie seit Monaten langsam weiter vor. Der Ukraine ist es bislang nicht
gelungen, den Vormarsch endgültig zu stoppen und die Verteidigungslinien zu
stabilisieren.

Auch bei Tschassiw Jar, westlich von Bachmut, tobten weiterhin schwere
Kämpfe. Dort hatten russische Truppen vor wenigen Tagen knapp ein Viertel der
Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Nach Darstellung des ukrainischen Militärs
zahlte die russische Armee dafür jedoch mit knapp 5.000 Toten einen hohen Preis.
"Russische Mütter und Ehefrauen sollen wissen, dass 5.000 Männer nicht
heimkehren, weil sie einen Ortsteil erobern mussten", sagte ein ukrainischer
Militärsprecher im Fernsehen. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft
werden.

Erneut Angriffe von Kampfdrohnen

Die russischen Streitkräfte haben den Osten der Ukraine in der Nacht erneut
mit sogenannten Kamikaze-Drohnen angegriffen. Die Flugabwehr in Charkiw und Sumy
berichtete von Einflügen der Shahed-Drohnen in mehreren Wellen. Über die
Auswirkungen der Angriffe machten die ukrainischen Militärs zunächst keine
Angaben.

Selenskyj kündigt neue Strategie auf See an

Die Ukraine will den russischen Einfluss im westlichen Teil des Schwarzen
Meeres zurückdrängen. Sein Land werde dazu eine neue nationale Seestrategie
erarbeiten, kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner
täglichen Videoansprache an. "Wir verstehen klar, dass der Krieg das
Kräfteverhältnis in unserer Schwarzmeerregion verändert hat und die russische
Flotte in diesem Gewässer niemals mehr dominieren wird", gab sich Selenskyj
optimistisch. Die Ukraine werde ihre eigenen nationalen Interessen auf See und
die ihrer Partner verfolgen und Verkehrsrouten schützen, sagte er.

Russland hatte bereits bei der Annexion der Krim 2014 einen Großteil der
ukrainischen Flotte in Besitz genommen. Weitere Schiffe gingen für Kiew kurz
nach Beginn der großangelegten russischen Invasion 2022 mit der Eroberung der
Hafenstadt Berdjansk im südukrainischen Gebiet Saporischschja verloren. In
Mykolajiw ging das Flaggschiff der ukrainischen Marine, die Hetman
Sahaidatschnyj unter.

Auch wenn die ukrainische Marine derzeit nicht über größere Kriegsschiffe
verfügt, ist es Kiew gelungen, die russische Schwarzmeerflotte aus dem
westlichen Teil des Schwarzen Meeres zu vertreiben. Damit konnte auch der
Seehandel über Odessa zumindest teilweise wiederbelebt werden. Die ukrainische
Marine soll in der nächsten Zeit auch durch Lieferungen westlicher Partner
aufgerüstet werden.

Chinesische Soldaten zu Militärmanöver in Belarus gelandet

Chinesische Soldaten sind derweil nach offiziellen Angaben zu einer
gemeinsamen Anti-Terror-Übung in Belarus (früher Weißrussland) eingetroffen. Das
Manöver werde vom 8. bis 19. Juli abgehalten, teilte das
Verteidigungsministerium in Minsk auf seinem Telegramkanal mit.

Zunächst gab es keine Details zu den geplanten Übungen. Auch die genaue
Anzahl der beteiligten chinesischen Soldaten ist unbekannt. Auf den vom
Verteidigungsministerium in Minsk veröffentlichten Fotos ist ein chinesisches
Transportflugzeug zu sehen, das eine dreistellige Zahl Soldaten transportieren
kann.

Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Belarus und dem Westen,
speziell aber zur Ukraine, hatten sich zuletzt noch einmal verschlechtert.
Mehrfach stellte Machthaber Alexander Lukaschenko den Westen als Bedrohung für
sein Land dar. Der engste Bündnispartner von Kremlchef Wladimir Putin hat diesem
erlaubt, taktische Atomwaffen in seinem Land zu stationieren.

Zuletzt hat Belarus zudem seine Truppen an der Grenze zur Ukraine verstärkt
und dies mit angeblichen Provokationen des Nachbarlandes begründet. Kiew
wiederum fühlt sich von Minsk bedroht. Russische Truppen waren bei ihrem Angriff
auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren auch von belarussischem Territorium aus
ins Land eingedrungen./bal/cha/DP/he

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