20.06.2024 17:20:20 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Länder fordern 'konkrete Modelle' zu Asylverfahren außerhalb EU

BERLIN (dpa-AFX) - Die Länder fordern die Bundesregierung gemeinsam auf,
konkrete Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten
außerhalb der Europäischen Union zu erarbeiten. Auf Drängen der Union
verständigten sich die Ministerpräsidenten am Donnerstag vor ihrem Treffen mit
Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf einen entsprechenden Beschluss. Die SPD-Seite
zeigte sich trotzdem skeptisch, dass man mit einer solchen Regelung die
irreguläre Einwanderung in größerem Maße zurückführen kann. "Dass das eine
Lösung unserer strukturellen Probleme sein wird, das glaube ich nicht", sagte
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.

Ähnlich hatte sich zuvor Bundesinnenministerin Nancy Faeser geäußert. Das
könne ein "Bausteinchen" sein, würde aber nicht die Migrationslage in
Deutschland grundlegend ändern, sagte die SPD-Politikerin. Die Union zeigte sich
dagegen zufrieden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)
forderte von Scholz, die Einigung der Länder als Auftrag zu sehen, "mit
Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit eine Drittstaaten-Lösung
anzugehen".

Abkommen zwischen Italien und Albanien als Orientierung

Die Union dringt seit langem auf eine Regelung, nach der Migranten entweder
schon auf ihrem Weg nach Europa in Transitstaaten Asylverfahren durchlaufen oder
nach Ankunft in Deutschland in Drittstaaten außerhalb der EU geschickt werden.
Italien hat ein solches Modell mit Albanien für Bootsflüchtlinge vereinbart, die
im Mittelmeer aufgegriffen werden. Das ist zwar nicht eins zu eins auf
Deutschland übertragbar, könnte aber aus Sicht der Union als ein Vorbild dienen,
an dem man sich orientieren kann. Man müsste aber ein Land finden, das zur
Kooperation bereit ist.

Die Länder fordern die Bundesregierung in ihrem Beschluss nun auf, "konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten zu
entwickeln und dabei insbesondere auch dafür erforderliche Änderungen in der
EU-Regulierung sowie im nationalen Asylrecht anzugehen".

Die Einigung sei "ein sehr wichtiger Schritt nach vorne", sagte Wüst. Damit
zeigten die Länder, dass sie sich "ihrer Verantwortung in dieser
herausfordernden Lage stellen". Am Nachmittag wollten die Länder mit Scholz und
Faeser über den Vorstoß beraten. Faeser sagte am Rande der
Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam, eine wirkliche Reduzierung der Zahl der
Asylsuchenden werde über eine Drittstaaten-Regelung nicht gelingen. Es sei nicht
der "Gamechanger", betonte sie.

IMK-Vorsitzender hält Verfahren für sehr kompliziert

Auch der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU),
bewertet Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten mit einer gewissen
Skepsis. "Das ist ein mögliches Projekt, was sehr kompliziert sein wird, was
auch rechtlich nicht einfach einzuordnen sein wird", sagte Stübgen. Er fügte
hinzu: "Aber ich lasse mich gerne überzeugen davon, dass das versucht werden
sollte."

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Um dieses Vorhaben voranzubringen, sollte
der Bund schnellstmöglich ein Pilotprojekt starten, um eigene Erfahrungen zu
sammeln." Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur, er befürworte nicht das
britische Ruanda-Modell, sondern sei vielmehr dafür, europäische Asylprüfungen
in Transitstaaten zu ermöglichen.

Bezahlkarte: Nicht mehr als 50 Euro Bargeld im Monat

Bei der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber einigten sich die Länder
darauf, die Auszahlung von Bargeld auf 50 Euro pro Monat zu begrenzen. Der
Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein
(CDU), sagte: "Wir haben eine gemeinsame Vereinbarung gefasst, dass die (.)
Bargeld-Obergrenze vereinbart wird auf 50 Euro." Es sei ein wichtiges Zeichen,
dass sich die Länder in dieser Frage einig seien. Die Bezahlkarte solle ab dem
Sommer an den Start gehen, wenn die Ausschreibung für den Dienstleister beendet
sein wird.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil begrüßte den Schritt. Das
schließe die Diskussion zu dem Thema vielleicht ab, sagte der SPD-Politiker. 14
von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames
Vergabeverfahren für die Bezahlkarte geeinigt. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern
gehen eigene Wege.

Die Bezahlkarte soll unter anderem Geldzahlungen an Schleuser oder Familien
in den Heimatländern verhindern, Kommunen bei der Verwaltung entlasten und den
Anreiz für illegale Migration senken. Nach dem Treffen der Regierungschefinnen
und -chefs der Länder in der hessischen Landesvertretung in Berlin sind am
Nachmittag weitere Gespräche im Bundeskanzleramt mit Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) geplant./mfi/abc/DP/ngu

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