01.07.2024 13:32:04 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe für Höcke

HALLE (dpa-AFX) - Im Prozess um eine verbotene Nazi-Parole fordert die
Staatsanwaltschaft für den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke eine Bewährungsstrafe
und eine Geldauflage. Sie beantragte acht Monate Freiheitsstrafe, die zur
Bewährung ausgesetzt werden solle. Zudem solle Höcke 10 000 Euro an eine
gemeinnützige Vereinigung wie etwa die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zahlen, sagte
Staatsanwalt Benedikt Bernzen in seinem Plädoyer am Landgericht Halle. Die
Verteidiger sowie Höcke selbst forderten einen Freispruch. Die Urteilsverkündung
ist für den Nachmittag geplant.

"Herr Höcke hat die Rede nur als Vorwand genutzt, um die Parole erneut zu
verbreiten", so Bernzen weiter. Der Politiker habe gewusst, dass die Rede
anschließend im Internet Verbreitung finden würde. Bernzen forderte eine
Verurteilung wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und
terroristischer Organisationen. Zudem solle das Gericht anordnen, dass Höcke
zwei Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfe.

Höcke hatte bei einem AfD-Stammtisch im thüringischen Gera die ersten beiden Worte des Nazi-Spruchs "Alles für Deutschland" ausgesprochen, das Publikum
vervollständigte die Parole. Er habe gewusst, dass das Publikum das dritte Wort
aussprechen würde, habe dazu eine "geradezu einladende Armbewegung" gemacht,
sagte Bernzen. Der Spruch wurde einst von der Sturmabteilung (SA) verwendet, der
paramilitärischen Kampforganisation der Nazi-Partei NSDAP.

Die Stammtisch-Teilnehmer hätten um die Bedeutung gewusst. Anschließend sei
in dem Video von der Rede im thüringischen Gera ein "zustimmendes Nicken,
süffisantes Lächeln" Höckes zu sehen gewesen, keine Überraschung über die
Reaktion des Publikums.

Verteidiger: "ungewollter Zuruf" des Publikums

Der Verteidiger Florian Gempe betonte, Höcke habe an der bestimmten Stelle
abgebrochen und die Formel gerade nicht ausgesprochen, um eine Strafbarkeit zu
vermeiden. Er sprach von einem "ungewollten Zuruf" des Publikums.

Außerdem seien die Handbewegungen Höckes mehrdeutig. Gempe sagte, als
Politiker gebrauche man in freier Rede seine Hände, auch spontan. Der
Verteidiger kritisierte, dass kein Gutachter gehört wurde. Dabei hatte das
Gericht das selbst zunächst gewollt. Einem Historiker war abgesagt worden,
nachdem sich herausgestellt hatte, dass er sich negativ über die AfD geäußert
hatte.

Der Verteidiger bestritt, dass "Alles für Deutschland" eine zentrale Losung
der SA gewesen ist. "Es gibt kein Werk, welches die Losung "Alles für
Deutschland" der SA zuschreibt." Gempe sagte zu Höckes Rede beim Stammtisch in
Gera: "In der vorliegenden Äußerung gibt es keinen einzigen Bezug zur SA oder
zum Nationalsozialismus."

Höcke selbst sagte im letzten Wort des Angeklagten: "Ich bin unschuldig und
bitte um Freispruch." Er beklagte, er sehe sich in seiner Meinungsfreiheit
beschränkt. Er habe keine Straftat begehen wollen. ""Alles für Deutschland" war
nicht die zentrale Losung der SA." Notfalls wolle er bis zum Europäischen
Gerichtshof gehen.

Erstes Urteil fiel im Mai

Wegen desselben Spruchs war Höcke am 14. Mai bereits zu einer Geldstrafe von insgesamt 13 000 Euro verurteilt worden. Er hatte die Parole im Mai 2021 bei
einer Wahlkampfveranstaltung im sachsen-anhaltischen Merseburg genutzt.
Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht, denn Höcke legte Revision ein.

Für Höcke ist der zweite Prozess in Halle noch nicht der letzte. Das
Landgericht Mühlhausen in Thüringen hat eine Anklage gegen den Politiker wegen
des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Es geht um einen Telegram-Post von
Höcke aus dem Jahr 2022 zu einer Gewalttat in Ludwigshafen und das angebliche
Verhalten vieler Einwanderer. Verhandlungstermine stehen noch nicht fest.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September will der frühere
Geschichtslehrer als AfD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Seine Partei wird vom
Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft./bz/DP/mis

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