18.06.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Nato sieht deutsche Verteidigungsausgaben bei knapp 91 Milliarden Euro

BRÜSSEL/WASHINGTON (dpa-AFX) - Deutschland hat der Nato für das laufende
Jahr geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro gemeldet und
würde damit derzeit klar das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses erreichen. Wie aus
einer neuen Übersicht der Nato hervorgeht, entspricht die Rekordsumme einem
Anteil am prognostizierten deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,12
Prozent. Die Quote würde damit höher liegen als noch zu Jahresbeginn erwartet.

Deutschland hat sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vorgenommen, in diesem Jahr erstmals die 2014 vereinbarte
Nato-Zielmarke für Verteidigungsausgaben zu erreichen. Sie sieht vor, dass die
Mitgliedstaaten jährlich mindestens zwei Prozent ihres BIP dafür einplanen.

Schlusslicht ist Spanien

In diesem Jahr werden nach den neuen Zahlen voraussichtlich 23
Bündnisstaaten die Zielmarke erreichen oder sogar überschreiten. Spitzenreiter
bei der Quote sind derzeit Polen mit Verteidigungsausgaben in Höhe von 4,12
Prozent des BIP und Estland mit 3,43 Prozent. Beide Länder liegen damit noch vor
den USA, die 2024 nach den jüngsten Schätzungen auf 3,38 Prozent kommen dürften.

Schlusslichter im Ranking sind Länder wie Spanien und Slowenien, Luxemburg,
die derzeit bei unter 1,3 Prozent liegen. Auch Belgien (1,30 Prozent), Kanada
(1,37 Prozent), Italien (1,49 Prozent) und Portugal (1,55 Prozent) werden die
Nato-Zielmarke aber deutlich verfehlen.

Stoltenberg lobt "größte Steigerung seit Jahrzehnten"

Insgesamt werden die derzeit 32 Nato-Staaten nach jüngsten Schätzungen im
Jahr 2024 rund 1,5 Billionen US-Dollar (etwa 1,4 Billionen Euro) für
Verteidigung ausgeben. Die Inflation und Wechselkursschwankungen herausgerechnet
würde dies im Vergleich zum Vorjahr insgesamt einem Anstieg um 10,9 Prozent
entsprechen. Die europäischen Alliierten und Kanada allein würden den Angaben
zufolge sogar auf ein Plus von 17,9 Prozent kommen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich zur Vorbereitung des
Nato-Gipfels derzeit in Washington aufhält, lobte bei einem Treffen mit
US-Präsident Joe Biden am Montag die Entwicklung als "größte Steigerung seit
Jahrzehnten". Die Zahlen zeigten, dass die europäischen Bündnispartner und
Kanada ihren Teil der Verantwortung für den Schutz aller Mitglieder des
Nato-Bündnisses übernähmen. Biden sprach von einer "Rekordzahl" an Verbündeten,
die die Zielmarke für Verteidigungsausgaben nun erreichten.

Botschaft nicht nur an Russland

Mit der drastischen Steigerung der Verteidigungsausgaben reagieren die
Alliierten insbesondere auf Russlands Einmarsch in die Ukraine. Durch eine
deutliche Stärkung von Abschreckung und Verteidigung soll Kremlchef Wladimir
Putin deutlich gemacht werden, dass ein Angriff auf ein europäisches Nato-Land
keinerlei Erfolgschancen hätte. Beim Nato-Gipfel in Washington vom 9. bis 11.
Juli würden sich die Verbündeten bereiterklären, sagte Stoltenberg, die
finanzielle Unterstützung für die Ukraine weiter zu verstärken.

Hilfreich könnten die Zahlen zudem auch mit Blick auf eine mögliche
Wiederwahl von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November sein.
Der Republikaner hat im Wahlkampf bereits deutlich gemacht, dass er
Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen
Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Trump hatte bereits
in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 immer wieder über die seiner Ansicht nach
zu niedrigen Verteidigungsausgaben von europäischen Alliierten gewettert und
zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.

Stoltenberg sagte in einem Interview von "Welt" und US-Medien am Montag,
Trump habe nicht in erster Linie die Nato kritisiert. "Seine Kritik richtete
sich gegen Nato-Mitglieder, die nicht genug in die Nato investieren." Der
Nato-Generalsekretär lobte erneut das in Wiesbaden geplante Hauptquartier für
den geplanten Nato-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte. Die Einrichtung des
neuen Hauptquartiers sei wichtig, "unabhängig davon, wer der nächste
US-Präsident ist".

USA klar vor Russland und China

Trotz der deutlichen Steigerungen der Europäer werden die USA den Zahlen
zufolge aber dennoch mit schätzungsweise rund 968 Milliarden Dollar erneut mehr
als doppelt so viel Geld in Verteidigung stecken wie alle anderen 31
Nato-Partner zusammen und bleiben damit auch international die absolute Nummer
eins.

Zum Vergleich: Die Militärausgaben Russlands wurden vom Internationalen
Institut für Strategische Studien (IISS) für 2023 auf lediglich rund 109
Milliarden Dollar geschätzt, was unter Berücksichtigung von
Kaufkraftunterschieden im Westen schätzungsweise rund 295 Milliarden Dollar
entsprechen würde. China lag demnach bei 220 Milliarden Dollar beziehungsweise
kaufkraftbereinigt bei 408 Milliarden Dollar./aha/DP/zb

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