26.05.2024 19:37:11 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Habeck wirft Israel Völkerrechtsbruch vor - Union empört

(Aktualisierung: Wadephul (CDU), 2. Absatz; Überschrift angepasst)

BERLIN (dpa-AFX) - Vizekanzler Robert Habeck hat Israels Vorgehen im
Gaza-Krieg als Völkerrechtsbruch kritisiert. "Selbstverständlich muss Israel
sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der
palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind - wie wir jetzt
auch ja gerichtlich sehen - mit dem Völkerrecht nicht vereinbar", sagte Habeck
am Samstag in einem Bürgergespräch beim Demokratiefest in Berlin. "Das heißt, es
ist in der Tat so, dass Israel dort Grenzen überschritten hat, und das darf es
nicht tun." Gleichzeitig verwies der Grünen-Politiker darauf, dass die Hamas im
Gazastreifen den Krieg sofort beenden könnte, wenn sie ihre Waffen niederlegen
würde.

CSU-Generalsekretär Martin Huber nannte die Aussagen Habecks "unfassbar und
beschämend". Der Wirtschaftsminister gieße "Öl ins Feuer der ohnehin schon
antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland." Huber warf Habeck vor, "das
Narrativ der Hamas und der Israel-Hasser" zu bedienen. Seine Äußerungen grenzten
an Täter-Opfer-Umkehr. "Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen
Propagandisten des linken Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer
Gesellschaft haben". Auch aus der CDU kam deutliche Kritik. Habecks Äußerungen
seien "völlig unverständlich und inakzeptabel", sagte der stellvertretende
Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, der "Welt". Es
stelle sich die Frage, ob dies nun Position der Bundesregierung sei.

Habeck hatte "uneingeschränkte Solidarität" versprochen

Habeck hatte Israel knapp eine Woche nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober in einer sehr emotionalen Videobotschaft die "uneingeschränkte
Solidarität" Deutschlands zugesichert. "Israel hat alles Recht sich zu
verteidigen. Und wir werden es dabei unterstützen, wo immer es unsere
Unterstützung braucht", sagte er damals.

Die gesamte Bundesregierung, für die die Sicherheit Israels zur Staatsräson
gehört, hatte sich lange Zeit mit Kritik an der Kriegsführung Israels
zurückgehalten. Erst nach und nach wurden die Mahnungen an die Regierung von
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutlicher, vor allem was eine mögliche
großangelegte Bodenoffensive in der Stadt Rafah angeht, in die Hunderttausende
Palästinenser geflüchtet sind. Die Bundesregierung äußerte immer wieder die
Erwartung, dass sich Israel an das Völkerrecht hält. Der von Habeck geäußerte
Vorwurf des Völkerrechtsbruchs ist aber neu.

Gerichtsverfahren gegen Israel laufen noch

Der Wirtschaftsminister verweist in seiner Äußerung auf Gerichtsverfahren
gegen Israel. Bisher hat aber noch kein internationales Gericht Israel wegen
Völkerrechtsbruchs verurteilt. Der Chefankläger des Internationalen
Strafgerichtshofs, Karim Khan, hatte am Montag Haftbefehle wegen mutmaßlicher
Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Israels Regierungschef Benjamin
Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant beantragt. Darüber muss das
Gericht aber noch entscheiden.

Am Freitag hatte dann der Internationale Gerichtshof Israel verpflichtet,
den Militäreinsatz in Rafah sofort zu beenden. In der Eilentscheidung ließen die
Richter in dem von Südafrika angestoßenen Verfahren aber die Frage offen, ob
Israel einen Völkermord begehe. Diese müsse in einem Hauptverfahren geklärt
werden. Israel beruft sich bei seinem Militäreinsatz im Gazastreifen auf sein
Selbstverteidigungsrecht.

US-Außenministerium kam zu keinem klaren Ergebnis

Das US-Außenministerium ist vor zwei Wochen in einem Bericht an den Kongress zu keinem klaren Ergebnis gekommen, was mögliche Verstöße der israelischen
Streitkräfte gegen humanitäres Völkerrecht mit US-Waffen angeht. Aufgrund der
Situation in dem Kriegsgebiet sei es schwierig, einzelne Vorfälle zu bewerten
oder abschließende Feststellungen zu treffen, heißt es darin. "Es gibt jedoch
genügend gemeldete Vorfälle, die Anlass zu ernsthaften Bedenken geben." Das
Außenministerium habe von mehreren glaubwürdigen UN- und Nichtregierungsquellen
Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen durch israelische Streitkräfte
erhalten.

Scholz und Habeck bekräftigen Warnung vor Großoffensive in Rafah

Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigten am Samstag die
Warnungen der Bundesregierung vor einer großangelegten Militäroffensive in der
Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. "Unsere Aussage ist, dass die
Kriegsführung immer so gemacht werden muss, dass sie die Regeln des Völkerrechts
beachtet", sagte Scholz bei einem Bürgergespräch in seinem Potsdamer Wahlkreis.
"Deswegen sind wir auch immer sehr klar gewesen zu sagen: Eine Offensive in
Rafah können wir uns nicht vorstellen ohne furchtbare, unverantwortbare
menschliche Verluste."

Habeck wies darauf hin, dass die Bundesregierung immer gesagt habe, "dass
Israel diesen Angriff nicht vornehmen darf, jedenfalls nicht so, wie es davor im
Gazastreifen umgegangen ist: Bombardements von Flüchtlingslagern und so
weiter."/mfi/DP/he

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