08.07.2024 06:00:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: Biden tourt durch Pennsylvania - Demokraten beraten sich

WASHINGTON (dpa-AFX) - Ungeachtet der Debatte um seine körperliche Fitness
für eine zweite Amtszeit hat US-Präsident Joe Biden eine Reihe von
Wahlkampfauftritten im Bundesstaat Pennsylvania absolviert. Der 81-jährige
Demokrat sprach zunächst in einer historisch vor allem von Schwarzen besuchten
Kirche in Philadelphia. In derselben Stadt legte er danach einen überraschenden
Zwischenstopp bei Wahlkampfhelfern ein, bevor er schließlich im weiter westlich
gelegenen Harrisburg lange mit Anhängern sprach, für Selfies posierte und
Limonade trank. Auf dem Rückweg zum Flughafen besuchte er noch ein Café.

Biden schien damit dem Narrativ der vergangenen Woche entgegenwirken zu
wollen, er sei dem Wahlkampf körperlich nicht mehr gewachsen. Während er durch
Pennsylvania tingelte, kamen demokratische Abgeordnete aus dem
Repräsentantenhaus bei einer außerordentlichen Schalte zusammen. Der
Minderheitsführer der Parlamentskammer, Hakeem Jeffries, hatte das Treffen
anberaumt. US-Medien berichteten danach unter Berufung auf mit der Situation
vertraute Personen, mehrere hochrangige Parteivertreter seien überzeugt, Biden
müsse aus dem Rennen um das Weiße Haus aussteigen.

Interne Spannungen bei den Demokraten

Sollten diese Vertreter ihre Überzeugung öffentlich machen, würden sie sich
fünf Abgeordneten anschließen, die diesen Schritt bereits gegangen sind. Zwei
weitere Abgeordnete haben ihre Einschätzung publik gemacht, dass Biden bei der
Präsidentenwahl im November nicht gegen seinen republikanischen Herausforderer
Donald Trump gewinnen kann. Andere demokratische Kongressmitglieder äußerten
sich bislang nicht ganz so drastisch, drückten aber Besorgnis aus.

Bei den Demokraten geht die Befürchtung um, dass Bidens Lage sich auf das
eigene Mandat auswirken könnte - bei der US-Wahl im November stehen neben dem
Präsidentenamt auch alle Sitze im Repräsentantenhaus zur Abstimmung sowie ein
Drittel aller Sitze im Senat. Im Zuge der heute beginnenden Sitzungswoche im
US-Parlament wird vor allem deshalb mit weiteren Abweichlern gerechnet. Ein
Treffen demokratischer Senatorinnen und Senatoren, das laut US-Medien für heute
angepeilt war, findet einem Bericht von "Axios" zufolge allerdings doch nicht
statt.

"Das kann keine Woche sein, in der alles wie gewohnt läuft", sagte Senator
Chris Murphy im Sender CNN. Biden müsse der amerikanischen Öffentlichkeit
beweisen, dass er immer noch derjenige sei, "den so viele von uns kennen und
lieben". Murphy betonte, er glaube, dass Biden es schaffen könne, sagte aber
auch: "Die Uhr tickt."

Ähnlich äußerte sich Adam Schiff bei NBC. Besonders besorgniserregend fand
der demokratische Abgeordnete Bidens Aussage in einem viel beachteten
TV-Interview am Freitag (Ortszeit), dass es letztlich darum gehe, ob er als
Kandidat "sein Bestes gegeben" habe - auch, wenn er die Wahl nicht gewinnen
sollte. Schiff widersprach energisch: "Es geht nicht nur darum, ob er sein
Bestes gegeben hat, sondern vielmehr, ob er die richtige Entscheidung getroffen
hat, zu kandidieren." Es gehe darum, "ob dieses Land eine Demokratie bleibt,
oder ob wir in eine Art Pseudodiktatur abdriften", sagte Schiff.

Sanders stellt sich hinter Biden

Anders bewertet wurde die Lage von Bernie Sanders. "Präsident Biden kann
Donald Trump, den gefährlichsten Präsidenten in der Geschichte dieses Landes,
eindeutig besiegen", konstatierte der parteilose Senator beim Sender CBS. Biden
sei alt und könne sich nicht mehr so elegant ausdrücken, räumte Sanders ein.
"Ich wünschte, er könnte die Stufen der Air Force One hinaufspringen - das kann
er nicht." Im Zentrum der Debatte müsse nun aber stehen, wessen Politik der
großen Mehrheit des Landes zugutekäme.

In Pennsylvania - ein "Swing State", der weder Demokraten noch Republikanern fest zugerechnet werden kann - präsentierte Biden sich Seite an Seite mit
politischen Verbündeten aus dem Bundesstaat und adressierte unter anderem
selbstironisch sein hohes Alter.

"Ich weiß, ich sehe aus, als ob ich erst 40 Jahre alt bin", witzelte er in
der Kirche in Philadelphia vor einer jubelnden Gemeinde. "Aber ich bin schon
eine ganze Weile dabei und offen gestanden nie optimistischer über Amerikas
Zukunft gewesen." Dafür müssten aber alle gemeinsam anpacken, so Biden. Seine
Rede las er mit kraftvoller Stimme von einem Manuskript ab. Bei den
darauffolgenden Auftritten sprach er ohne Notizen oder Teleprompter - die
Forderung danach hatten besorgte Parteikollegen zuvor mehrfach gestellt.

Gastgeber beim Nato-Gipfel

Seit seinem desaströsen Auftritt beim ersten TV-Duell gegen Trump kämpft
Biden an allen Fronten. Ein TV-Interview Bidens am Freitag (Ortszeit) heizte
Zweifel über seine Eignung teils eher an, als sie zu zerstreuen. Er sagte dabei
unter anderem, nur Gott könne ihn zum Rückzug bewegen, lehnte einen ärztlichen
Test zu seiner geistigen Fitness ab und stellte schlechte Umfragewerte infrage.

Das Weiße Haus hat derweil bereits weitere Termine Bidens für Mitte Juli
angekündigt. In dieser Woche richtet der US-Präsident als Gastgeber den
Nato-Gipfel in der Hauptstadt Washington aus. Wie er sich dort schlägt, dürfte
engmaschig beobachtet werden./gei/DP/zb

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