27.06.2024 17:32:40 - dpa-AFX: ROUNDUP/Lindner fordert Mentalitätswechsel: Mehr Leistung nötig

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat in
Deutschland einen Mentalitätswechsel und eine Rückbesinnung auf die Grundsätze
der sozialen Marktwirtschaft gefordert. Alle Ausgaben des Staates müssten erst
einmal erwirtschaftet werden. "Unser Land hat sich gewöhnt an spitzenmäßige
soziale Absicherung, spitzenmäßige ökologische Standards, spitzenmäßigen
Lebensstandard", sagte Lindner am Donnerstag bei der ifo-Jahresversammlung in
München. "Jetzt ist Zeit, wieder neu zu lernen, dass all das eine Voraussetzung
hat: nämlich Spitzenleistung."

Das gelte für die Bürger genauso wie für Unternehmen. Selbst manche
Unternehmen suchten den Erfolg weniger im Wettbewerb als in der Nähe des
Staatshaushalts. Wertschöpfung beruhe aber nicht auf Subventionen und
Umverteilung.

Lindner verteidigt Schuldenbremse

Vehement verteidigte der Finanzminister die Schuldenbremse. Die
Staatseinnahmen erreichten bald eine Billion Euro: "Wir haben sehr viel Geld!"
Es fehle aber der Mut, bei den Ausgaben Prioritäten zu setzen. Berlins Regierung
zum Beispiel fordere die Aufhebung der Schuldenbremse, weil sie Geld für die
Schulen brauche, führe aber ein 29-Euro-Ticket für den Nahverkehr ein: Die 300
Millionen Euro für dieses Ticket würde sie besser für die Schulen verwenden,
sagte Lindner.

Die Schuldenbremse sei im Grundgesetz verankert, und darüber hinaus gebe
auch die EU vor, wie hoch die Ausgaben der Mitgliedsländer wachsen dürften.
Deutschland sei der Stabilitätsanker der Währungsunion, eine höhere Verschuldung
Deutschland wäre ein verheerendes Vorbild. "Für uns gilt der Maßstab "Führen
durch Vorbild" auch in der Fiskalpolitik", sagte Lindner unter großem Beifall
der Teilnehmer der ifo-Jahresversammlung.

Ifo-Präsident: Mehr Arbeit muss sich mehr lohnen

Ifo-Präsident Clemens Fuest bezeichnete die alternde und demnächst
schrumpfende Erwerbsbevölkerung als "die vielleicht größte Herausforderung". Das
Wirtschaftswachstum werde sich dadurch dauerhaft halbieren. Deshalb müsste die
Politik mehr Anreize für Erwerbsarbeit schaffen. Aber für große Teile der
Bevölkerung lohne sich mehr Arbeit nicht mehr, sagte Fuest und nannte als
Beispiel eine Familie mit zwei Kindern und 3000 Euro Bruttolohn in München. Wenn
die Eltern mehr arbeiteten und 2000 Euro brutto zusätzlich verdienten, hätten
sie netto nur 30 bis 40 Euro mehr, weil Wohngeld und andere Sozialleistungen
gestrichen oder gekürzt würden. "Dass es überhaupt keine Anstalten gibt, daran
etwas zu ändern, ist bemerkenswert", sagte Fuest.

Bei der Jahresversammlung feierte das ifo-Institut auch seinen 75.
Gründungstag. Ludwig Erhard, Protagonist des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten
Weltkrieg, hatte als Wirtschaftsminister in Bayern die Grundlagen für die
angewandte Wirtschaftsforschung in München gelegt. 1949 schlossen sich die
Informations- und Forschungsstelle für Wirtschaftsbeobachtung und das
Süddeutsche Institut für Wirtschaftsforschung zum ifo-Institut zusammen. Der auf
der Befragung Tausender Unternehmen beruhende, monatlich veröffentlichte
ifo-Geschäftsklimaindex ist einer der wichtigsten Frühindikatoren der
Wirtschaftsentwicklung in Deutschland. Lindner lobte die Bemühungen des
Instituts, "den ökonomischen Analphabetismus in unserem Land zu
überwinden"./rol/DP/he

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