24.06.2024 11:15:01 - dpa-AFX: Ökonomen-Stimmen zum Ifo-Geschäftsklimaindex

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im
Juni verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel um 0,7 Punkte auf 88,6 Zähler,
wie das Ifo-Institut am Montag in München mitteilte. Analysten hatten dagegen
einen leichten Zuwachs erwartet. Ökonomen sehen in den Daten ein Warnsignal.
Zuletzt hatten sich bereits die Einkaufsmanagerindizes für Deutschland
eingetrübt.

So bewerten Volkswirte die Wirtschaftsaussichten nach den Ifo-Daten:

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank:

"Die deutsche Wirtschaft verliert den Anschluss an die Weltwirtschaft.
Während weltweit die Aktivität kräftig ist, dümpelt die deutsche Konjunktur vor
sich hin. Der Wirtschaftsstandort Deutschland zählt zu den Verlierern des
gegenwärtigen weltweiten Strukturwandels. Die Wirtschaftspolitik setzt den
aktuellen Herausforderungen zu wenig entgegen, die Rahmenbedingungen für die
Produktion in Deutschland müssen energischer als bisher verbessert werden."

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank:

"Nach dem Rückgang der Einkaufsmanagerindizes ist nun auch das
Ifo-Geschäftsklima überraschend gefallen. Das ist ein Warnsignal. Wir rechnen
mehr denn je nur mit einer moderaten wirtschaftlichen Erholung. Zum einen wirkt
die Geldpolitik der EZB noch bremsend. Zum anderen sind viele Unternehmen
verunsichert, weil die Bundesregierung nicht entschieden handelt, obwohl
Deutschland bei der Standortqualität seit Jahren zurückfällt."

Ralf Umlauf, Volkswirt Landesbank Hessen-Thüringen:

"Rückschlag für Wachstumshoffnungen. Mit dem Rückgang des
ifo-Geschäftsklimas nehmen die Zweifel an einer allmählichen Belebung der
wirtschaftlichen Aktivitäten im zweiten Halbjahr zu, insbesondere, weil auch die
Geschäftserwartung gesunken sind. Die Zinssenkungsspekulationen bezüglich der
EZB im Verlauf des dritten Quartals und auch bis zum Jahresende werden wohl
forciert."

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg:

"Diese Zahl ist so schlecht, wie sie aussieht. Ein Aufschwung findet in
Deutschland nicht statt. Die Lage tritt auf der Stelle, die Erwartungen trüben
sich wieder ein - und das alles auf ohnehin niedrigem Niveau. Die Zahl
kontrastiert überdies mit dem jüngsten Trend von Prognoseanhebungen. Dabei ist
derzeit unklar, woher der erhoffte Wachstumsschub für das Jahr 2025 kommen soll.
Vermutlich ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal nahe der Stagnation,
für das dritte Quartal fehlt ebenfalls die Fantasie für bessere Zahlen. Und so
richtet man sich allmählich in der Dauerstagnation ein."

Michael Herzum, Leiter Volkswirtschaft Union Investment:

"Als Folge der hohen Inflation während und nach Corona leiden viele
Bürgerinnen und Bürger immer noch unter einem Kaufkraftverlust, auch wenn jetzt
die Löhne schneller als die Inflation steigen. Die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft hat sich verschlechtert. Zudem belasten die gestiegenen
politischen Unsicherheiten wie etwa die anstehenden Neuwahlen in Frankreich. Die
deutsche Wirtschaft muss trotz zunehmender Lichtblicke weiter auf ihr
Sommermärchen warten."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:

"Die wirtschaftliche Erholung wird (...) moderat ausfallen. Die globale
Wirtschaft präsentiert sich zwar besser als erwartet, doch von einem deutlichen
Aufschwung kann keine Rede sein. Dazu wiegen die strukturellen
Belastungsfaktoren in China zu schwer. Auch die Konsumenten werden trotz
deutlich geringerer Teuerungsraten nicht in einen Konsumrausch verfallen. Die
Reallohneinbußen der vergangenen Jahre haben ein langes Echo. Die deutsche
Wirtschaft wird über Wachstumsraten von 0,3 Prozent in den kommenden Quartalen
kaum hinauskommen."

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