27.06.2024 06:30:05 - dpa-AFX: ROUNDUP/BGH entscheidet: Wann darf ein Unternehmen mit Klimaneutralität

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Die Auswahl im Supermarktregal ist groß - da kommt es
oft auf die richtige Werbung an. Mit zunehmendem Umweltbewusstsein ihrer
Kundinnen und Kunden setzen manche Unternehmen dabei auf die angebliche
Klimaneutralität der eigenen Produkte. Aber wann darf ein Hersteller mit diesem
Begriff werben? Dazu will am Donnerstag (9.00 Uhr) der Bundesgerichtshof (BGH)
in Karlsruhe eine Entscheidung verkünden.

Im konkreten Fall hatte die Frankfurter Wettbewerbszentrale gegen den
Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes geklagt, weil das Unternehmen in einem
Lebensmittel-Fachblatt damit geworben hatte, alle seine Produkte würden
klimaneutral produziert. Der Herstellungsprozess selbst ist nicht emissionsfrei,
das Unternehmen unterstützt zum Ausgleich aber über einen Umweltberater
Klimaschutzprojekte. Nach Ansicht der Kläger war die Werbung irreführend. Dem
Verbraucher seien wichtige Informationen - etwa über die Art und Weise, wie die
Klimaneutralität hergestellt wird - vorenthalten worden. (Az. I ZR 98/23)

Was heißt "klimaneutral"?

Die Unterlassungsklage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf argumentierte, Verbraucher verstünden den Begriff
"klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen CO?-Bilanz. Sie wüssten, dass diese
auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Entscheidend war, dass
die Leser aus Sicht des Oberlandesgerichts online ausreichend darüber informiert
wurden, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht werde. Über einen QR-Code
in der Anzeige konnten sie auf der Webseite des Umweltberaters an mehr
Informationen gelangen.

Der Wettbewerbszentrale reicht das nicht aus. Angaben darüber, wie die
Klimaneutralität zustande kommt, hätten schon in der Werbung selbst auftauchen
müssen, sagte Geschäftsführer Reiner Münker - am besten aufgeteilt danach, was
das Unternehmen selbst an Emissionen einspart und was kompensiert wird. Es müsse
unterschieden werden können zwischen Unternehmen, die mit hohen Investitionen
und technischen Weiterentwicklungen eine tatsächliche Reduzierung ihrer
Emissionen erreichen, und solchen, die im eigenen Betrieb nichts ändern, aber
Geld an Klimaprojekte zahlen.

Strengere Auflagen für grüne Werbung

Nach der mündlichen Verhandlung im April sah die Wettbewerbszentrale, ein
von der Wirtschaft getragener Verein, ihre Position in dem Rechtsstreit durch
die Karlsruher Richterinnen und Richter gestärkt. Münker sagte, er gehe nach der
vorläufigen Einschätzung des Senats davon aus, dass dieser an den bisherigen
strengen Anforderungen für Umwelt- und Klimaaussagen in der Werbung festhalten
wolle. Er gehe mit einem guten Gefühl aus der Verhandlung. Der Vorsitzende
Richter hatte zu Beginn der Verhandlung betont, dass für umweltbezogene Werbung
strengere Regeln gelten.

Katjes stellt sich auf strengere Vorschriften ein. Der Süßwarenhersteller
habe in der Vergangenheit den Begriff "klimaneutral" verwendet, weil man
bestrebt sei, den Anteil der Emissionen bei der Produktion selbst zu reduzieren,
aber auch weil das Unternehmen erhebliche Ausgleichszahlungen im siebenstelligen
Bereich leiste, sagte Katjes-Sprecher Pascal Bua auf Anfrage der Deutschen
Presse-Agentur. Nach damaliger Rechtsauffassung sei das erlaubt gewesen. "Mit
Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnte sich die
Rechtslage jedoch ändern, worauf wir uns entsprechend einstellen müssen."

Strengere Auflagen für grüne Werbeversprechen sind auch auf EU-Ebene in
Arbeit. So einigten sich die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten
vergangene Woche etwa auf Regeln für freiwillige Aussagen von Unternehmen
hinsichtlich der Umwelt- oder Klimafreundlichkeit von Produkten. Demnach sollen
Unternehmen zur Untermauerung ihrer Angaben und Kennzeichnungen klare Kriterien
und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verwenden. Es soll zudem klar
erkennbar sein, worauf sich Umweltaussagen beziehen - etwa auf die Haltbarkeit
oder Recyclingfähigkeit. Die Staaten müssen nun mit dem Europaparlament einen
Kompromiss aushandeln./jml/DP/zb

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