09.07.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Erneut schwere Kämpfe im Norden Gazas

GAZA (dpa-AFX) - Ein Wiederaufflammen heftiger Gefechte zwischen Israels
Armee und der islamistischen Hamas im Norden des Gazastreifens überschattet die
neu belebten Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln und eine Waffenruhe.
Israel geht in der verwüsteten Stadt Gaza erneut am Boden und aus der Luft gegen
Kämpfer der Hamas vor. In den vergangenen Wochen kehrten die israelischen
Streitkräfte wiederholt in Gebiete zurück, in die sie zuvor eingedrungen waren
und aus denen sie sich wieder zurückgezogen hatten.

Dies zeige, wie der Kampf gegen die Hamas zu einem "langwierigen
Zermürbungskrieg" werden könnte, schreibt das "Wall Street Journal". Das erneute
Vorgehen Israels in der Stadt Gaza könne dazu führen, dass die in Kairo
wiederaufgenommen indirekten Verhandlungen über ein Geiselabkommen scheitern,
erklärte die Hamas. Ihr Auslandschef Ismail Hanija habe die katarischen und
ägyptischen Vermittler entsprechend gewarnt, hieß es. Die USA, die in dem Krieg
ebenfalls als Vermittler fungieren, sehen dennoch Chancen für eine Einigung.

Es gebe noch Punkte, bei denen Israel und die Hamas weit auseinanderliegen
würden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im
Weißen Haus, John Kirby. "Aber wir hätten kein Team dorthin geschickt, wenn wir
nicht glauben würden, dass wir hier eine Chance haben", erklärte er mit Blick
auf die Gespräche in Kairo. Am Mittwoch reise CIA-Direktor Bill Burns nach Doha
weiter, um sich dort mit seinen Verhandlungspartnern aus Katar, Ägypten und
Israel erneut zu treffen, meldete das US-Nachrichtenportal "Axios".

Hamas: Netanjahu behindert Verhandlungsprozess

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor als eine nicht verhandelbare Bedingung für ein Abkommen das Recht für Israel zur Fortsetzung
der Kämpfe gegen die Hamas eingefordert. "Jedes Abkommen wird Israel erlauben,
die Kämpfe wieder aufzunehmen, bis alle Kriegsziele erreicht sind", heißt es in
einer Liste an Bedingungen, die das Büro des israelischen Ministerpräsidenten
veröffentlichte. Netanjahu lege "den Verhandlungen zusätzliche Hindernisse in
den Weg", heißt es in einer Erklärung der Hamas.

Auf beiden Seiten gebe es öffentliche Äußerungen, "die nicht unbedingt in
vollem Umfang die Gespräche widerspiegeln, die wir mit ihnen oder ihren
Gesprächspartnern unter vier Augen führen", sagte dazu der
Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Kirby. Auf
dem Tisch liegt ein Stufenplan. Die Vermittler bemühen sich derzeit um
Formulierungen, um die Kluft in noch strittigen Punkten zu überbrücken.
Netanjahus Auflistung an Bedingungen war in Vermittlungskreisen Medien zufolge
auf Kritik gestoßen.

Luftangriffe gehen weiter

Unterdessen griff Israels Luftwaffe auch im mittleren Gazastreifen nach
eigenen Angaben mehrere in einem Schulgebäude verschanzte Terroristen an. Wie
Israels Militär mitteilte, sei die Gruppe aus Kämpfern der Hamas und des
Islamischen Dschihad (PIJ) im Raum Nuseirat am Montagabend mit
Präzisionsmunition beschossen worden, um zivile Opfer zu vermeiden. Nähere
Details wurden nicht genannt. Die Angaben ließen sich unabhängig nicht prüfen.

Die israelische Armee wies einmal mehr darauf hin, dass die beiden
Terrororganisationen "systematisch gegen das Völkerrecht" verstießen, "indem sie
zivile Einrichtungen und die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde für
Terroranschläge gegen den Staat Israel missbrauchen", hieß es. In Nuseirat hatte
die Armee kürzlich nach eigenen Angaben Kämpfer der Hamas auch im Areal einer
ehemaligen Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA ausgemacht und aus der Luft
angegriffen. Laut Hamas wurden 16 Menschen getötet.

Auch dieses Objekt habe den Terroristen als Versteck und Einsatzbasis für
Attacken auf das israelische Militär gedient, erklärte die Armee dazu. Und auch
bei dem Angriff seien zuvor Schritte unternommen worden, um das Risiko für
Zivilisten zu minimieren. Keine der Angaben
- weder der israelischen Armee noch der Hamas - konnten unabhängig
überprüft werden. Auslöser des Gaza-Krieges war das Massaker mit mehr als 1.200
Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7.
Oktober 2023 in Israel verübt hatten.

Unterdessen erreichte Israels Armee die Zentrale des
UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza. Die Streitkräfte hätten in dem
Areal, das wegen des Krieges nicht in Betrieb ist, Anti-Terror-Einsätze
eingeleitet, hieß es. Zivilisten seien zuvor zum Verlassen des Gebiets
aufgefordert worden. Das Armee-Radio berichtete von Kämpfen mit Bewaffneten der
Hamas. Nach palästinensischen Krankenhausangaben wurden mindestens 15 Menschen
getötet. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen, weil die Rettungskräfte wegen
der Kämpfe viele Wohngebiete nicht erreichen können. Die Angaben ließen sich
nicht unabhängig überprüfen.

Wieder heftige Kämpfe in Gaza Stadt

In das Gebiet der Stadt Gaza waren die israelischen Truppen bereits im
ersten Kriegsmonat eingedrungen. Laut einer Analyse von Satellitendaten, die
kürzlich von Experten der City University of New York und der Oregon State
University durchgeführt wurde, sind rund 75 Prozent der Gebäude in dem Gebiet
beschädigt oder zerstört, berichtete das "Wall Street Journal". Die Stadt ist
von den massiven Verwüstungen in dem Krieg mit am schwersten betroffen.
Inzwischen versucht die Hamas, sich dort und andernorts neu zu gruppieren.

Man müsse mangels einer politischen Strategie immer wieder an Orten kämpfen, die die Armee eigentlich zuvor eingenommen hatte, hatte bereits vor Wochen
Israels Generalstabschef Herzi Halevi beklagt und laut Medienberichten vor einer
"Sisyphusarbeit" gewarnt. Kritiker werfen Netanjahu vor, mangels eines genauen
Plans zur Stabilisierung und Verwaltung Gazas zuzulassen, dass das abgeriegelte
Küstengebiet im Chaos versinkt. Israels Truppen drohten, von der Hamas in einen
endlosen Guerilla-Krieg verwickelt zu werden.

Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte kürzlich in Aussicht gestellt,
dass die letzten größeren Kampfverbände der Hamas im Süden des Gazastreifens
bald zerschlagen seien. Damit könnte zumindest die großangelegte Bodenoffensive
in dem Küstenstreifen enden. Das würde aber nicht unbedingt ein Ende des
Militäreinsatzes bedeuten. Denn Netanjahu und hohe Militärs kündigten bereits
mehrfach an, dass israelische Truppen auch nach der Phase der intensiven Kämpfe
an strategischen Stellen im Gazastreifen bleiben würden./ln/DP/zb

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