17.05.2024 16:23:27 - dpa-AFX: ROUNDUP: Putin will Pufferzone bei Charkiw und kritisiert Kiews Friedensgipfel

HARBIN (dpa-AFX) - Russland will die seit Wochen beschossene Stadt Charkiw
im Osten der Ukraine nach den Worten von Kremlchef Wladimir Putin nicht besetzen
und dort angeblich nur eine Pufferzone einrichten. Stand heute gebe es keine
Pläne, Charkiw einzunehmen, sagte Putin am Freitag vor Vertretern russischer
Staatsmedien zum Ende seines Besuches in China in der Stadt Harbin. Ein Reporter
hatte ihm die Frage gestellt, nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj am Donnerstag die massiv angegriffene Region Charkiw besucht hatte.
Selenskyj sprach von einer Stabilisierung der Lage dort. Die Russen hätten
lediglich die erste von drei Verteidigungslinien erreicht, sagte Selenskyj vor
Journalisten.

Putin gab an, dass Russland derzeit eine Pufferzone dort einrichte, weil von Charkiw aus die russische Region Belgorod massiv mit Drohnen und Raketen
beschossen werde. Die jüngsten massiven Schläge gegen die Region Charkiw habe
sich die Ukraine selbst zuzuschreiben, weil sie russisches Gebiet immer wieder
attackiere. Die Behörden in Belgorod meldeten am Freitag erneut massiven
Drohnenbeschuss von ukrainischer Seite. Unter anderem sei ein Auto getroffenen
worden, eine Frau und ihre vier Jahre alter Sohn seien getötet worden, sagte
Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Auch andere Regionen meldeten Drohnenattacken
von ukrainischer Seite, es gab mehrere Brände. Allerdings wird Charkiw bereits
seit Kriegsbeginn von russischen Truppen massiv beschossen.

Die Lage um Charkiw gilt derzeit weiter als gespannt. Der frühere Kremlchef
Dmitri Medwedew, der jetzt Vizechef im nationalen Sicherheitsrat ist, hatte
Selenskyjs Reise nach Charkiw zuvor als Abschiedsbesuch bezeichnet. Weil die
Führung in Moskau immer wieder Charkiw als russische Stadt bezeichnet, gehen
viele Experten davon aus, dass der Kreml auch die Region annektieren will. Putin
dementierte dies erstmals mit der Einschränkung, dass es derzeit nicht geplant
sei.

Putin lobt China und kritisiert Friedensgipfel in der Schweiz

Putin lobte zum Ende seiner China-Reise ausdrücklich die Bestrebungen
Pekings, den Konflikt um die Ukraine zu beenden. Er habe mit Partei- und
Staatschef Xi Jinping ausführlich über den Krieg gesprochen, sagte er. China
bezeichnet sich als neutral in dem Konflikt, gilt aber als Unterstützer
Russlands. Zugleich kritisierte Putin den in der Schweiz geplanten
Friedensgipfel der Ukraine. Die am 15. und 16. Juni in der Nähe von Luzern
geplante Konferenz sei der Versuch, Russland Bedingungen für eine Beendigung des
Konflikts aufzuzwängen, sagte er.

Die Ukraine und der Westen hoffen, dass China einen Vertreter zum Gipfel in
die Schweiz schickt, um dem Treffen mehr Gewicht zu verleihen. In Kiew sagte
Selenskyj im Gespräch mit den Journalisten, dass viele Staaten an dem Treffen
teilnehmen würden. Er erinnerte daran, dass auch China für die territoriale
Unversehrtheit der Ukraine eintrete und kein Verständnis habe für Annexionen in
dem Land. Ziel des Gipfels in der Schweiz sei ein Kommuniqué für eine Lösung des
Konflikts. Die Ukraine wolle etwa Energiesicherheit und einen Austausch aller
Gefangenen erreichen, sagte Selenskyj.

Putin kritisierte, dass Russland nicht eingeladen sei zu dem Treffen, sich
aber ständig Vorwürfe machen lassen müsse, daran nicht teilzunehmen. Auch
Verbündete Russlands sehen keinen großen Sinn in dem Treffen, wenn nicht beide
Kriegsparteien daran teilnehmen.

Putin betonte erneut, dass Russland bereit sei zu Verhandlungen. Er
erinnerte noch einmal daran, dass es kurz nach Kriegsbeginn bereits in Istanbul
eine Einigung mit der ukrainischen Seite zur Beilegung des Konflikts gegeben
habe. Es habe ein fertiges Dokument gegeben, das nun weiter eine Grundlage für
neue Verhandlungen sein könne, sagte Putin. Aus dem Papier hatte Ende April auch
die Zeitung "Welt" zitiert unter dem Titel: "Das geheime Dokument, das den
Ukraine-Krieg hätte beenden können." Nach Putins Aussage hätten damals Kiew und
der Westen entschieden, den Kampf fortzusetzen.

Feuerpause zu Olympia? Selenskyj und Putin äußern sich

Unabhängig voneinander äußerten sich Selenskyj und Putin zur französischen
Idee einer Feuerpause während der Olympischen Sommerspiele in Paris. Ihm seien
die Details der Initiative nicht klar, zumal Russland die Gelegenheit nutzen
könne, weiter Militärtechnik in Richtung Ukraine zu bewegen, sagte Selenskyj der
Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" zufolge.

Der ukrainische Staatschef betonte erneut, dass es bereits eine Feuerpause
gegeben habe, aber diese mit dem russischen Feind nicht funktioniere. Außerdem
stelle sich die Frage, "wer sicherstellen wird, dass während einer Feuerpause
ihre Streitkräfte nicht zu uns vorrücken". Es sei möglich, in dieser Zeit
Technik zu bewegen und dann einen Angriff zu starten, warnte der Präsident.
"Also ich verstehe die Details nicht. Für mich klingt das bisher nach einer
nicht lebensfähigen Geschichte."

Kremlchef Putin sagte, dass ihn Xi auf das Thema angesprochen habe. Putin
selbst äußerte sich nicht weiter zu dem Inhalt seines Gesprächs. Er kritisierte
aber, dass der Westen von Russland die Einhaltung eines olympischen Friedens
verlange, sich selbst aber mit dem Ausschluss russischer Athleten nicht an den
olympischen Gedanken halte.

Der Kreml hatte schon zuvor Zweifel an einer der französischen Initiative
geäußert, weil die Ukraine die Zeit der Spiele vom 26. Juli bis 11. August
nutzen könnte, um die Streitkräfte weiter aufzurüsten und neu zu gruppieren für
den Krieg. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte erklärt, dass es keine konkreten
offiziellen Vorschläge aus Paris gebe zum Vorgehen.

Die Idee des olympischen Friedens geht auf die Antike zurück, wurde aber
auch bei der Wiederbelebung der Spiele in der Neuzeit als Gedanke aufgenommen.
Während des Sportereignisses sollten alle Feindseligkeiten ruhen. In der
Vergangenheit wurde aber bereits mehrfach gegen das Gebot verstoßen./mau/DP/men

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