07.07.2024 15:34:51 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP/Markige Worte und Cucurellas Humor: Spaniens Helden von der Bank

STUTTGART (dpa-AFX) - Vor dem Halbfinal-Kracher gegen Frankreich beschwor
Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente den Team-Zusammenhalt mit ungewohnt
markigen Worten. "Ich würde für sie sterben, so wie sie für mich", sagte der
sonst eher zurückhaltende 63-Jährige mit Blick auf seine Fußballer. Was andere
von ihm und seiner Arbeit halten, sei ihm egal. Wichtig sei die Meinung seiner
Spieler.

Dabei gibt es auch von außen nach dem dramatischen Sieg im EM-Viertelfinale
gegen Deutschland keinen Grund zur Kritik. Spanien ist die bisher überzeugendste
Turniermannschaft und geht selbst gegen das französische Starensemble um
Ausnahmefußballer Kylian Mbappé am Dienstag in München als Favorit ins Spiel (21
Uhr/ZDF und Magenta TV). Der Optimismus ist riesig.

"Wir freuen uns, dass ein ganzes Land in Euphorie ist", sagte de la Fuente.
Sein Team überzeugt mit fußballerischer Klasse, ist zudem während des Turniers
als Mannschaft zusammengewachsen. Er sei "sehr stolz, solche Fußballer anführen
zu dürfen", sagte de la Fuente.

Sieg für verletzten Pedri

Den Halbfinaleinzug widmete Torschütze und Vorbereiter Dani Olmo seinem
verletzten Teamkollegen Pedri. Der Sieg sei für ihn, sagte Olmo nach Spaniens
Happy End beim Überlängen-Krimi gegen den Gastgeber. Eine Geste, die es im Sport
häufiger gibt. Die aber dennoch sehr viel aussagt über die Mannschaft der Furia
Roja, das die anfänglichen Erwartungen bei diesem Turnier längst übertroffen hat
und nun heiß auf den vierten EM-Titel nach 1964, 2008 und 2012 ist.

Pedri will das Team nach seinem persönlichen EM-Aus nun neben dem Platz
unterstützen. Eine Abreise kommt für ihn nicht infrage. Der 21-Jährige vom FC
Barcelona äußerte sich am Sonntag via Instagram. Seine Knieverletzung nach Foul
von Toni Kroos nimmt er dem deutschen Ausnahmefußballer nicht übel. Kroos'
Entschuldigung nahm Pedri an. "Das ist Fußball und diese Dinge passieren. Deine
Karriere und deine Leistungen werden für immer bleiben", schrieb er.

Cucurella spricht über Hand-Szene

Das 2:1 nach Verlängerung gegen Deutschland war nicht nur der fünfte Sieg
der Iberer im fünften Turnierspiel. Es zeigte auch, wie geschlossen diese
Mannschaft auftritt. Wie viel Wille und Leidenschaft in ihr steckt. Wie viel
Widerstandsfähigkeit. Wie viel "Herzblut", um es in den Worten von de la Fuente
auszudrücken. Dazu ist die Stimmung gelöst, locker, selbstbewusst.

Stellvertretend dafür steht Abwehrspieler Marc Cucurella. Statt sich am
Sonntag auf eine ernsthafte Diskussion zu seiner viel debattierten Hand-Szene
einzulassen, sagte der 25-Jährige: "Wenn die Schiedsrichter sagen, es ist kein
Handspiel, dann respektiere ich das als Spieler natürlich." Dann lachte
Cucurella.

Helden von der Bank

Die Spanier hatten am Freitag mitunter Glück - wie bei der nicht mit
Elfmeter bestraften Hand-Szene mit Cucurella oder so mancher vergebenen Chance
der Deutschen. Sie bewiesen aber auch eindrucksvoll, wie sie mit Rückschlägen
umgehen können.

Pedris Auswechslung in der 8. Minute war der erste Schock, der
zwischenzeitliche Ausgleich durch Florian Wirtz (89.) der zweite. Doch die
Spanier ließen sich nicht unterkriegen. Olmo schlüpfte in die Spielmacherrolle
und traf zum 1:0 (51.), der später ebenfalls eingewechselte Mikel Merino (119.)
zum Sieg. Spaniens Helden von der Bank. Auch sie machen dem dreimaligen
Europameister Mut für das Halbfinal-Kräftemessen gegen den WM-Zweiten
Frankreich.

Olmo drückt dem Spiel seinen Stempel auf

Neben Pedri werden auch Außenverteidiger Daniel Carvajal nach seiner
Gelb-Roten und Innenverteidiger Robin Le Normand nach seiner zweiten Gelben
Karte im Turnierverlauf gegen die Franzosen definitiv fehlen. Hier braucht da la
Fuente also schon mal ganz sicher frische Kräfte aus der vermeintlichen zweiten
Reihe.

Umso besser für die Spanier, dass sie im offensiven Kreativzentrum noch
einen wie Olmo haben. Der 26-Jährige ist allen Bundesliga-Fans ein Begriff. Bei
RB Leipzig wurde er vergangene Saison mehrfach von Verletzungen zurückgeworfen.
Bei der EM durfte er bislang nur in der Vorrundenpartie gegen Albanien (1:0) von
Beginn an ran. Doch mit seiner Technik, seiner Dynamik und seinem Zug zum Tor
bringt er alles mit, um in einem Spiel den Unterschied zu machen. Wie gegen
Deutschland. Dem eigenen Tor ließ der Spieler des Spiels noch die Flanke zum 2:1
durch Merino folgen. Ein Leipziger und ein früherer Dortmunder - für das
deutsche Team wurden sie zum Alptraum, die Spanier lassen sie nun vom Pokal
träumen.

Euphorie in der Heimat immer größer

"Pures Herz", schrieb die Zeitung "AS" nach dem Viertelfinal-Thriller. "Ein
unvergessliches Spanien", hieß es in der "Marca". Die Furia Roja hat in der
Heimat mit jedem Sieg ein Stück mehr Euphorie ausgelöst. Jetzt, nur noch zwei
Schritte vom Silberpott entfernt, rückt das ganze Land gefühlt noch enger
zusammen - eben ganz so wie die Spieler auf dem Rasen.

Wenn der Körper nicht mehr könne, gehe es in solchen Spielen eben mit dem
Herzen, erklärten die Spanier nach der Nervenschlacht von Stuttgart. "Im Fußball
und im Leben ist nichts einfach", sagte Coach de la Fuente. "Diese tolle Gruppe
ist ein Riesen-Vorbild dafür." Gemeinsam kämpft sie für ihr großes Ziel. Ihre
Helden kommen eben auch mal von der Bank. Und womöglich wird das für Spanien
noch der große Titel-Trumpf./lot/DP/he

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