16.06.2024 15:23:31 - dpa-AFX: ROUNDUP/Abschiebedebatte: Minister Stübgen hat keine Skrupel wegen Taliban

POTSDAM (dpa-AFX) - In der Debatte um Abschiebungen von Straftätern fordert
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen die Bundesregierung auf, zügig
Verhandlungen mit Syrien und auch mit den in Afghanistan herrschenden Taliban
voranzubringen. "Ankündigungen höre ich gerne, nur muss es jetzt endlich auch
umgesetzt werden und es müssen jetzt wirklich auch Fakten folgen", sagte der
CDU-Politiker und Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK) der Deutschen
Presse-Agentur in Potsdam. Verhandlungen mit den islamistischen Taliban hält er
für vertretbar. Das Bundesinnenministerium verhandelt nach einem
"Spiegel"-Bericht aber mit Usbekistan über Abschiebungen von Afghanen aus
Deutschland ohne direkte Absprachen mit den Taliban.

Die Innenministerkonferenz wird sich bei ihren anstehenden Beratungen (19.
bis 21. Juni) in Potsdam mit dem Kurs in der Asylpolitik beschäftigen. Die
tödliche Messerattacke eines Afghanen in Mannheim, bei der ein Polizist starb,
dürfte das Treffen prägen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte als eine Folge
des Angriffs angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach
Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Innenministerin Nancy
Faeser (SPD) prüft es. Stübgen rechnet beim Thema Abschiebungen mit Einigkeit
unter den Innenministern.

Stübgen: Sicherheit in Syrien hat sich verbessert

Der IMK-Vorsitzende sagte, die Bundesregierung müsse nun vorankommen und
diplomatische Beziehungen nach Syrien aufbauen, um schwerste Straftäter
abschieben zu können. Dort könne eine Botschaft errichtet werden. Einige
europäische Länder hätten auch längst diplomatische Beziehungen zu Damaskus
aufgebaut. "Und es ist längst bekannt, dass im Kerngebiet Syriens kein Krieg
mehr ist." Auch wenn Syrien kein Rechtsstaat sei, gebe es staatliche
Ordnungsstrukturen. "Es spricht nichts dagegen, dass wir hier zum Beispiel wie
Schweden jetzt überhaupt erst mal anfangen, Schwerststraftäter und
Intensivstraftäter dorthin auch zurückzuführen", sagte Stübgen. Die Sicherheit
dort habe sich verbessert.

Der seit Beginn des Syrienkrieges geltende subsidiäre Schutz für Menschen
aus Syrien muss aus Sicht des CDU-Politikers überprüft werden. Subsidiärer
Schutz gilt für Menschen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, aber
stichhaltige Gründe liefern, warum bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland
ernsthafte Schäden - wie Menschenrechtsverletzungen - drohen.

Stübgen sieht keine Bedenken wegen Kontakten zu Taliban

Auch bei Verhandlungen mit den Taliban über Abschiebungen
schwerstkrimineller Afghanen hat Stübgen keine Vorbehalte. Es werde bereits mit
den Taliban verhandelt, "und zwar darüber, dass bestimmte Menschen Afghanistan
verlassen können". Zudem gebe es internationale Hilfsprogramme etwa für
Lebensmittel an die Bevölkerung. "Das heißt, es gibt mannigfachste Kontakte. Und
diese Kontakte, das ist meine Forderung, kann man auch nutzen,
Schwerststraftäter zurückzuführen." Es wird sich Stübgen zufolge eher um
Einzelfälle handeln.

Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 gilt in Deutschland ein Abschiebestopp für Afghanen. Über das
Entwicklungshilfeministerium wird humanitäre Hilfe unterstützt. Das Ministerium
führt nach eigenen Angaben aber keine Verhandlungen mit den Taliban und mache
keine finanziellen Zusagen.

Gegenleistungen hält Stübgen für üblich, wenn es um Rücknahmeabkommen geht.
"Das ist normale Verhandlungsbasis." Auf die Frage, ob man einem kriminellen
System in Afghanistan Vorschub leiste, sagte er: "Dann könnte man aber so
ziemlich jede Wirtschaftshilfeleistung, die wir machen, einstellen. Denn das
Entwicklungshilfeministerium hat es nicht nur mit armen Ländern, sondern mit
hoch korrumpierten Ländern zu tun." Die Hilfe erreiche auch bislang nicht nur
jene Menschen, die es auch wirklich am nötigsten hätten.

Kritiker warnen vor Verhandlungen mit den islamistischen Taliban, da diese
nicht anerkannt werden dürften und auch kein Geld fließen dürfe, das dann in den
Aufbau von Terrornetzwerke auch in Deutschland fließen könnte.

Die Bundesregierung peilt offenbar bereits einen anderen Weg an: Eine
Delegation aus dem Bundesinnenministerium schlug der usbekischen Regierung nach
einem Bericht des "Spiegel" vor, afghanische Abschiebekandidaten nach Taschkent
zu bringen. Von dort sollten sie mit der privaten Fluggesellschaft "KamAir"
weiter nach Kabul transportiert werden./mow/DP/men

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