15.07.2024 06:00:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Chinas Wirtschaft schwächelt - Partei berät über Reformen

PEKING (dpa-AFX) - Der Auftakt eines wichtigen Treffens der Kommunistischen
Partei Chinas zum künftigen Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft wird von
schwachen Wirtschaftsdaten begleitet: Wie das Pekinger Statistikamt mitteilte,
wuchs die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal um 4,7 Prozent und damit
langsamer als von den meisten Analysten im Vorfeld erwartet. Der Wert lag auch
unter den Wachstumsraten der beiden Vorquartale, als noch 5,3 und 5,2 Prozent
erreicht worden waren.

Die Veröffentlichung der Daten am Montag fiel auf den gleichen Tag, an dem
sich die Parteiführung in Peking zu ihrem sogenannten Dritten Plenum traf. Das
Treffen des Zentralkomitees, das in der Regel nur alle fünf Jahre stattfindet,
hat in der Vergangenheit oft wichtige Weichen für die langfristige
wirtschaftliche Entwicklung des Landes gestellt.

Historisch am bekanntesten ist das Dritte Plenum im Jahr 1978, auf dem
weitreichende Reformen eingeleitet wurden, die als Beginn der Reform- und
Öffnungspolitik Chinas gelten. Dieses Mal findet das Treffen mit deutlicher
Verspätung statt, was im Vorfeld für Unruhe gesorgt hatte.

High-Tech-Pläne sollen im Mittelpunkt stehen

Die viertägige Sitzung, so sagen Wirtschaftsvertreter, wäre für Peking eine
gute Gelegenheit, um Aufbruchstimmung zu verbreiten und damit der Wirtschaft und
den Märkten Rückenwind zu geben. Analysten hatten im Vorfeld jedoch gedämpfte
Hoffnungen für kurzfristige Impulse.

"Das Dritte Plenum wird das kollektive Bemühen in den Vordergrund stellen,
damit China seine Ziele der technologischen Unabhängigkeit und Modernisierung
der Industrie erreicht", glaubt Jeroen Groenewegen-Lau vom China-Institut Merics
in Berlin: "Vorübergehende Wohlstandsverluste werden in Kauf genommen", so der
China-Experte. Ob und wann etwaige Erfolge bei der Bevölkerung ankommen, darüber
werde das Plenum voraussichtlich keine genaue Auskunft geben.

Auch Chinas Staatspresse legte im Vorfeld des Treffens ihren Fokus auf
Bestrebungen der Führung, China zu einer High-Tech-Macht zu machen. Es werde mit
der Vorlage eines "Fahrplans für die kontinuierliche Vertiefung der Reformen"
gerechnet, zitierte die Staatszeitung "Global Times" kurz vor dem Plenum
namentlich nicht genannte Experten.

Das Parteitreffen finde demnach in einer Zeit statt, "die von Veränderungen
geprägt ist, wie es sie seit einem Jahrhundert nicht mehr gegeben hat". Es werde
ein klarer Weg für "das Streben des Landes nach einer qualitativ hochwertigen
Entwicklung" aufgezeigt werden.

Kurzfristige Hilfen bleiben auf der Strecke

Immer wieder beschworen werden auch die "neuen Produktivkräfte". Bei dem von Staats- und Parteichef Xi Jinping geprägten Begriff geht es darum, die
wirtschaftliche Entwicklung durch die Schaffung moderner Industriezweige
voranzutreiben. Im Aufstieg zu einer High-Tech-Nation sieht Chinas Führung auch
die Antwort auf einen aus ihrer Sicht immer chinafeindlicher gesinnten Westen.

Der Aufbau einer modernen Industrie sei zwar sinnvoll, jedoch seien derzeit
auch andere Maßnahmen erforderlich, um bestehenden Problemen zu begegnen, warnen
Ökonomen. Um nachhaltig zu wachsen, solle China die Inlandsnachfrage ankurbeln
und die Wirtschaft auf Konsum ausrichten, empfahl jüngst der Internationale
Währungsfonds (IWF).

Was bei der Umsetzung von Xis High-Tech-Ambitionen derzeit auf der Strecke
bleibe, seien die Alltagssorgen vieler Chinesen, sagen Kritiker. Der Konsum
stockt, weil viele Haushalte ihr Geld lieber für unsichere Zeiten sparen. Wie
akut die Lage ist, zeigten auch andere am Montag veröffentlichte
Wirtschaftsdaten. Die Einzelhandelsumsätze, ein wichtiger Indikator für die
Kaufbereitschaft der Chinesen, legten im Juni im Vorjahresvergleich nur noch um
zwei Prozent zu - der schwächste Wert seit mehr als einem Jahr.

Sorgen bereiten vielen Familien vor allem die anhaltende Krise auf dem
Immobilienmarkt und eine hohe Arbeitslosigkeit. Vor allem junge Leute haben
Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Hier, so fürchten Beobachter, könnte das
"Dritte Plenum" nicht die erhofften Antworten liefern./jpt/DP/zb

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