26.05.2024 14:10:34 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Deutschland und Dänemark auf dem Weg zur Fehmarnquerung

RÖDBYHAVN/KIEL (dpa-AFX) - Drei riesige Hallen ragen im dänischen Rödbyhavn
in den Himmel und wirken im Vergleich zu der Baustelle, auf der sie errichtet
wurden, doch winzig. In ihnen werden die Tunnelelemente für den
Fehmarnbelt-Tunnel gefertigt. Zusammen nehmen die Fabrik sowie der vorgelagerte
Arbeitshafen nach Angaben des für den Bau zuständigen Unternehmens Femern A/S
eine Fläche von etwa 310 Fußballfeldern ein - es ist Europas größte Baustelle.

Anfang Mai wurde das erste Betonelement für den Tunnel unter der Ostsee
fertiggestellt. Noch 88 dieser mächtigen Kolosse sollen folgen. In ihnen sind
insgesamt fünf Röhren untergebracht: zwei für jeweils eine doppelspurige
Autobahn, zwei Röhren für elektrifizierte Bahngleise sowie eine Wartungsgalerie.
Ab 2029 sollen Autos und Züge unter der Ostsee zwischen der deutschen Insel
Fehmarn und der 18 Kilometer entfernten dänischen Insel Lolland hin und her
fahren. Der dafür notwendige Tunnelgraben am Meeresboden sei schon ausgehoben
worden, sagte der Projektdirektor von Femern A/S, Gerhard Cordes.

Wo und wie werden die Tunnelelemente eigentlich zusammengebaut?

Die Tunnelelemente werden auf insgesamt sechs Produktionslinien gefertigt.
Fünf dieser Linien befinden sich in den Fabrikhallen. Auf ihnen werden 79
sogenannte Standardelemente gefertigt. Diese sind jeweils 217 Meter lang und 73
000 Tonnen schwer. Eine einzelne Linie für zehn kürzere Spezialelemente, in
denen sich in einem Untergeschoss die Elektrik für den Tunnel befindet, liegt
neben den Hallen unter freiem Himmel.

Ein Standardelement setzt sich aus neun Segmenten zusammen. Zunächst werden
diese einzelnen Tunnelabschnitte als knapp 25 Meter lange Stahlkonstruktion
gefertigt und dann per hydraulischer Presse in einen vorderen Fabrikabschnitt
geschoben. Im nächsten Schritt betonieren Arbeiter den Angaben zufolge die
Abschnitte. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass der Beton das Stahlskelett
vollständig umschließe und der Betoniervorgang nicht unterbrochen werde. Das sei
wichtig, um Fugen zu vermeiden, erklärte Cordes.

Sobald ein Segment fertig betoniert und ausgehärtet ist, wird es nach vorn
geschoben und das nächste Segment betoniert - bis schließlich neun Abschnitte
fertig sind, die dann verbunden werden. Ab dem fünften Segment schauen die
Elemente dabei aus der Halle heraus - bis schließlich ein 217 Meter langes
Element vor der Fabrik liegt.

Bevor ein Element mit wasser- und luftdichten Stahlschotten verschlossen
werde, werde ein Teil der Ausstattung, die später im fertigen Tunnel benötigt
wird, eingebaut. Das spare später Zeit und reduziere die logistischen
Herausforderungen für die Arbeiten im abgesenkten Tunnel, sagte Cordes. Danach
könne das Element über Becken, die wie eine Schleuse geflutet werden können, und
den Arbeitshafen Richtung Fehmarnbelt transportiert werden.

Sind die Elemente erst mal im Meer, würden sie mit Schleppern an die
gewünschte Position gezogen, abgesenkt und mit dem vorherigen Tunnelabschnitt
verbunden. Der Tunnel werde von deutscher sowie dänischer Seite gleichmäßig
gebaut und in der Mitte des Fehmarnbelts verbunden, heißt es. Das erste
Tunnelelement werde auf der dänischen Seite abgesenkt und mit dem dänischen
Portal verbunden.

Während auf der dänischen Baustelle etwa 2000 Arbeiterinnen und Arbeiter für Tatsachen sorgen, ist man auf deutscher Seite bisher nicht so weit. Für den Bau
des Fehmarnsund-Tunnels, der die Insel Fehmarn und das deutsche Festland
verbinden soll, befinde man sich noch in der Planungsphase, sagte ein Sprecher
der Deutschen Bahn.

Zwar seien erste Gutachten erstellt und erste Bohrungen vorgenommen worden.
Es sei auch der Baugrund begutachtet worden, doch müsse zunächst die Planung
fertiggestellt und der sogenannte Planfeststellungsbeschluss ausgestellt werden.
Im Jahr 2026 könne dann der eigentliche Bau des knapp zwei Kilometer langen
Tunnels beginnen.

Um die Tunnelelemente für den Fehmarnsund-Tunnel herzustellen, soll laut
Bahnsprecher eine Fabrik im Rampenbereich des Tunnels auf Großenbroder Seite
gebaut werden. Die Elemente im dänischen Lolland herstellen zu lassen, ginge
nicht, da die Produktion frühestens 2027 beginnen könne und auf deutsche Normen
umgestellt werden müsse. Für den Transport auf dem Wasserweg müsste eine
durchgängige Meerestiefe von mindestens 8,35 Metern herrschen. Der Fehmarnsund
sei allerdings an einigen Stellen nur sechs Meter tief und obendrein
Naturschutzgebiet.

Verkehrsminister Madsen fordert Tempo

Abseits der Arbeiten vor Ort hat Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus
Ruhe Madsen Tempo beim Bau des Fehmarnsund-Tunnels angemahnt. Alle Beteiligten
seien gefordert, ihr Möglichstes für die Inbetriebnahme im Jahr 2029 zu tun,
sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Eine Verzögerung des
Projektes würde zu einer deutlichen Verteuerung führen - bei einem
Milliardenprojekt und zehn Prozent Baukostensteigerung pro Jahr handele es sich
um dreistellige Millionensummen.

Madsen geht aber fest davon aus, dass der Bund und die
Bahn-Tochtergesellschaft DB Infrago ihren Verpflichtungen aus dem mit Dänemark
geschlossenen Staatsvertrag nachkommen werden. Alles andere wäre den dänischen
Partnern nicht vermittelbar, weil sie den wesentlich komplexeren "Löwenanteil"
des Projektes stemmten.

Die Mitglieder des Fehmarnbelt Business Council (FBBC) hatten Anfang Mai
davor gewarnt, dass die geplante Fertigstellung der Anbindung auf der deutschen
Seite des Fehmarnbelt-Querung bis 2029 nicht gesichert sei. Daher erwarte die
Wirtschaft eine belastbare Zusage für den Fertigstellungstermin des
Fehmarnsund-Tunnels und der Hinterlandanbindung. Der FBBC ist ein
Zusammenschluss aus deutschen, dänischen und schwedischen Kammern und
Wirtschaftsverbänden./xil/DP/he

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