05.07.2024 09:45:04 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Der erste Kuss: Mehr als ein Lippenbekenntnis

BERLIN (dpa-AFX) - Verschmuste Paare genießen es regelmäßig, Singles sehnen
sich oft danach, manche Menschen hatten noch nie das Vergnügen: Küsse sind in
vielen Kulturen ein Ausdruck tiefer Zuneigung und Verbundenheit. Der erste Kuss
bleibt dabei für viele unvergesslich. Am Samstag (6. Juli) begeht er sogar
seinen eigenen Welttag.

Ob leidenschaftlich mit der Zunge oder zärtlich mit den Lippen - in
Deutschland erleben die meisten Menschen ihren ersten Kuss im Jugendalter. Der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge liegt der Anteil der
Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren, die angaben, schon einmal geküsst zu
haben, seit vielen Jahren um die 75 Prozent. Doch was passiert beim ersten Kuss
eigentlich?

"Explosion der Sinne"

Intensives Küssen mit einem Menschen, den man mag, löse ein körperliches
Feuerwerk aus, erklärt Kulturwissenschaftlerin Tina Bremer-Olszewski aus
Hamburg, die sich für ihr Buch "First Love" damit beschäftigt hat. Egal, ob beim
ersten oder hundertsten Mal: "Hormone wie Adrenalin und Dopamin gehen durch die
Decke." Dafür sorge auch das sogenannte Bindungs- oder auch Kuschelhormon
Oxytocin, das bei dem intimen Moment ausgeschüttet wird und ein wohliges Gefühl
auslöst.

Mit dem allerersten romantischen Kuss beträten wir daher eine neue Welt,
erklärt sie. Das mache diese Berührung auf den Mund oft unvergesslich. "Es ist
der erste intime Moment, den man außerhalb der Familie erlebt." Er hinterlässt
einen bleibenden Eindruck.

Der Berliner Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger spricht von einer Explosion der Sinne: "Küssen ist die intimste Form der erotischen Annäherung,
die uns zur Verfügung steht." Seiner Meinung nach ist Küssen intensiver als alle
anderen Formen der sexuellen Zärtlichkeiten.

Besser als Sex?

Wenn man zum ersten Mal im Leben die Lippen eines anderen romantisch
berührt, seien die Gefühle sogar besonders stark, betont er. "Man wird innerlich
überrannt." Der erste Kuss könne etwas "unendlich Aufregendes" auslösen. Beim
zweiten oder dritten Mal wisse man dann schon, was auf einen zukommt.

Manche behaupten sogar, Küssen sei intensiver als Sex. Das sei
Ansichtssache, sagt Bremer-Olszewski. Für einige sei die Lippenberührung
intimer, weil sie der erste Schritt in eine emotionale und auch körperliche
Verbindung sein kann. Andere fänden sie nicht so wichtig und hätten lieber
Geschlechtsverkehr, erklärt sie. Der erste Kuss sei oft erst der Anfang einer
Romanze und könne gerade in neuen Partnerschaften viel bedeuten. In längeren
Beziehungen könne wiederum Sex eine größere Bedeutung bekommen.

Biologischer Check oder Persönlichkeitstest?

Fehlende Chemie oder falsche Technik? Aus verschiedenen Gründen könne der
erste Kuss zwischen zwei Menschen nicht so schön werden wie erhofft, sagt
Bremer-Olszewski. Falls es an der Technik liege, könne man gemeinsam daran
arbeiten und üben. Wenn das nicht helfe, solle man vielleicht darüber
nachdenken, ob jemand anderes möglicherweise besser zu einem passe. Jede erste
Zärtlichkeit ist nämlich auch ein biologischer Check. Ganz nach dem Motto:
"Passen wir zusammen?"

Der Grund: Beim Küssen komme man sich so nah wie sonst kaum, erklärt die
Kulturwissenschaftlerin. Über Geruch und Geschmack könne man den potenziellen
Fortpflanzungspartner beim Lippenspiel genau unter die Lupe nehmen. Wenn man
sich dann nicht gut riechen könne, sei das für gewöhnlich kein rosiges Zeichen.
Die Küsse entscheiden also mit, wie es mit der Romanze weitergeht.

Mit schlechten Küssern ließen sich viele gar nicht erst auf eine Beziehung
ein, sagt Psychotherapeut Krüger. Und das liege nicht an der Akrobatik der
Zunge: Um ein guter Kusspartner zu werden, brauche es Persönlichkeit, erklärt
er. Zur Lippenberührung gehörten viele Eigenschaften, etwa Sozialkompetenz.
"Aber auch, dass man in der Lage ist, dem anderen körperlich zuzuhören - und zu
antworten." Das müsse erst gelernt werden. Richtig gutes Küssen beim allerersten
Mal ist seiner Ansicht nach deswegen eher selten.

Der erste Kuss kann warten

Auch wenn es nicht sofort zum "Perfect Match" kommt: Nicht gleich
verzweifeln! "Mit der Zeit oder mit einem anderen Menschen kommt auch der
richtige Kuss, der wunderbar ist", ist sich Bremer-Olszewski sicher. Die
Hoffnung auf schöne Intimität sollte daher nicht frühzeitig aufgegeben werden.
Das sieht auch Krüger so: Am besten so lange suchen, bis man jemanden gefunden
hat, der halbwegs gut küssen könne.

Wenn man auf einen Menschen trifft, den man gerne küssen möchte, solle man
wirklich nichts erzwingen, betont Bremer-Olszewski. Auch wenn es nicht mehr das
allererste Lippenspiel sei, müssten natürlich beide Partner einverstanden sein.
Unsichere könnten vorsichtig nachfragen, ob der oder die andere auch bereit sei
für die intime Zärtlichkeit. Wichtig ist: "Wenn die Situation nicht eindeutig
ist, lieber noch etwas warten."/evy/DP/zb

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