20.06.2024 14:54:44 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Bund kann Deal nicht stemmen - Kauf von Tennet-Stromnetz geplatzt

BERLIN/DEN HAAG (dpa-AFX) - Der Ausbau der Stromnetze in Deutschland kostet
viele Milliarden - der niederländische Netzbetreiber Tennet wollte deswegen sein
deutsches Stromnetz an den Bund verkaufen. Die Verhandlungen darüber aber sind
nun gescheitert. Die Bundesregierung habe mitgeteilt, dass sie die geplante
Transaktion aufgrund von Haushaltsproblemen nicht durchführen könne, teilte
Tennet am Donnerstag mit.

Die Bundesregierung ist mitten in schwierigen Verhandlungen über den
Bundeshaushalt 2025 sowie die mittelfristige Finanzplanung, es müssen
Milliardenlöcher gestopft werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
zeigte sich enttäuscht über das Scheitern der Verhandlungen mit Tennet.

Gesucht wird nun nach einem "Plan B". Dabei könnte es auch um eine
Minderheitsbeteiligung des Bundes an Tennet gehen. Tennet ist einer von vier
Betreibern der deutschen Übertragungsnetze, der "Stromautobahnen".

Lange Verkaufsverhandlungen beendet - Alternativen werden ausgelotet

Die Verhandlungen zwischen der Tennet Holding und der staatlichen Förderbank KfW im Auftrag der Bundesrepublik über einen vollständigen Verkauf von Tennet
Deutschland seien ergebnislos beendet worden, teilte Tennet mit. Der
niederländische Finanzminister Steven van Weyenberg zeigte sich enttäuscht. Für
den niederländischen Staat entstehe nun eine Haushaltslücke von rund 1,6
Milliarden Euro, heißt es in einem Schreiben des Ministers ans Parlament in Den
Haag.

Der niederländische Staat ist Eigentümer der Tennet-Muttergesellschaft. Den
Niederlanden waren die Kosten des Netzausbaus in Deutschland zu teuer geworden.
Tennet hatte daher den Wunsch nach einer Übernahme seines deutschen
Übertragungsnetzes durch den Bund publik gemacht.

Es würden nun verschiedene Alternativen für den Verkauf des deutschen
Stromnetzes des niederländischen Betreibers geprüft, sagte Finanzminister van
Weyenberg. "Die Vorbereitungen dafür sind in vollem Gange." Tennet bereite
"konkrete Optionen für einen (teilweise) privaten Verkauf oder einen Gang an die
Börse von Tennet Deutschland" vor. Die deutsche Regierung habe mitgeteilt, diese
alternativen Szenarien zu unterstützen.

Tennet halte in der Zwischenzeit an seinen umfangreichen Investitionsplänen
in beiden Ländern fest und werde dabei vom niederländischen Staat unterstützt.
Dieser habe Tennet kürzlich ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 25 Milliarden
Euro für die Jahre 2024 und 2025 gewährt.

Deutsche Netz AG?

Der Tennet-Erwerb sollte ein wesentlicher Schritt sein auf dem Weg zu einer
deutschen "Netz AG", bei der der Bund Anteile an allen deutschen
Übertragungsnetzbetreibern halten und mehr Kontrolle über den Stromnetzausbau
erlangen könnte.

Habeck sagte am Rande einer Ostasien-Reise in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, er bedauere, dass es nicht gelungen sei, die vier
Übertragungsnetzbetreiber Tennet, 50Hertz, Amprion und TransnetBW in einer
Gesellschaft zusammenzufassen. Dies hätte den Strom in Deutschland am Ende
günstiger gemacht, weil man Synergien etwa bei der Beschaffung hätte herstellen
können.

Es wäre wichtig gewesen, Verzögerungen beim Netzausbau zu vermeiden, sagte
Habeck. "Nun ist der Weg, der eigentlich geplant war, nicht möglich gewesen zu
gehen. Das heißt aber nicht, dass andere Wege nicht gefunden werden sollten." Es
gehe weiter darum, die Übertragungsnetzbetreiber zusammenzufassen und
kapitalstark auszustatten. "Nun müssen wir halt noch mal von vorne nachdenken."

Wirtschafts-Staatssekretär Philipp Nimmermann sagte, die Bundesregierung
habe weiterhin Interesse an einer strategischen Minderheitsbeteiligung an Tennet
Deutschland im Rahmen eines Konsortiums.

Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es mit Blick auf Kritik etwa des
DGB, ein Kauf von Tennet sei nicht an der Schuldenbremse gescheitert.
Finanzielle Transaktionen wie Unternehmenskäufe wären generell von der
Schuldenbremse ausgenommen. Entscheidend sei der Klärungsbedarf, wie ein
vollständiger und dauerhafter Staatsbesitz verhindert werde. Aus
ordnungspolitischen Gründen werde nur eine Minderheitsbeteiligung des Bundes
angestrebt.

Bund schon an zwei Betreibern beteiligt

Über die KfW ist der Bund mit 20 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber
50Hertz beteiligt. Der Bund ist zudem über die KfW mit 24,95 Prozent beim
Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW eingestiegen - der Hauptanteilseigner ist
der EnBW -Konzern.

In dessen Aufsichtsrat ist auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal
Bayaz. Der Grünen-Politiker nannte die gescheiterte Tennet-Transaktion einen
herben Rückschlag und sagte. "Ich halte die Idee einer konsolidierten deutschen
Netz AG angesichts der gigantischen planerischen, baulichen und finanziellen
Dimension beim Netzausbau für den richtigen Weg. Eine Sperrminorität sollte beim
Staat liegen, der Großteil über private Investoren mobilisiert werden."

Hohe Kosten für Netzausbau

Tennet hatte den deutschen Teil seines Netzes 2010 von Eon
übernommen und betreibt das Netz in der flächenmäßig größten von vier Zonen. Das
Gebiet reicht von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze.

Im Zuge der Energiewende müssen tausende Kilometer neue Stromleitungen
gebaut werden, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom in große
Verbrauchszentren im Süden gelangen kann. Die Bundesnetzagentur geht für den
gesamten Ausbau der Strom-Übertragungsnetze bis 2045 von Gesamt-Investitionen in
Höhe von rund 320 Milliarden Euro aus. Die Kosten für den Netzausbau werden über
die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt.

Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagte: "Wir sehen, dass Tennet seine
Netze weiter in erheblichem Umfang ausbauen will und wird. Die
Investitionsbedingungen sind attraktiv, und wir gehen davon aus, dass Tennet
alternative Investoren finden wird."/hoe/DP/jha

--- Von Andreas Hoenig, Annette Birschel und Martina Herzog, dpa ---
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