10.07.2024 20:23:50 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: USA wollen weitreichende Waffen in Deutschland stationieren

(aktualisierte Fassung)

WASHINGTON (dpa-AFX) - Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder
Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Von
2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2000
Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte
Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa
sorgen. Das gaben das Weiße Haus und die Bundesregierung am Rande des
Nato-Gipfels in Washington bekannt.

Die genannten Systeme hätten eine "deutlich weitere Reichweite als
gegenwärtige landgestützte Systeme in Europa", hieß es in einer gemeinsamen
Erklärung. Sie sollen zunächst zeitweise in Deutschland stationiert werden,
später permanent.

Beginn der Stationierung weit nach der US-Wahl

Der Beginn der geplanten Stationierung liegt mehr als ein Jahr nach der
US-Präsidentenwahl im kommenden November. Die Entscheidung könnte also
rückgängig gemacht werden, falls der Republikaner Donald Trump die Wahl gewinnt.
Trump hatte während seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 eine Reduzierung der
US-Militärpräsenz in Deutschland eingeleitet, die später unter dem jetzigen
Präsidenten Joe Biden gestoppt wurde. Seit dem russischen Angriff auf die
Ukraine verstärkte Biden die US-Truppenpräsenz in Deutschland und Europa sogar
wieder.

Biden versichert immer wieder, die Vereinigten Staaten stünden unumstößlich
zu ihren Bündnispflichten in der Militärallianz und würden jeden Zentimeter von
Nato-Territorium verteidigen. Trump dagegen hatte während seiner Amtszeit sogar
offen mit einem Austritt der USA aus der Nato gedroht.

Marschflugkörper ("Cruise Missiles") wie zum Beispiel auch das deutsche
Waffensystem Taurus sind in der Lage, im Tiefflug weit in gegnerisches Gebiet
einzudringen und wichtige Ziele zu zerstören. Dazu können Kommandostellen,
Bunker und Radaranlagen gehören. Dabei wird der Tomahawk von Schiffen oder
U-Booten eingesetzt, während der Taurus von Flugzeugen aus gestartet wird.

F-16-Kampfjets noch im Sommer in der Ukraine

Die Entscheidung zur Stationierung der weitreichenden Waffen in Deutschland
kam überraschend. Zuvor hatten die Nato-Staaten der Ukraine weitere
Unterstützung zugesichert. Der Transfer von F-16-Kampfjets sei bereits im Gange,
erklärten die USA, die Niederlande und Dänemark. Damit könnten die Maschinen
noch diesem Sommer im Abwehrkampf gegen Russland zum Einsatz kommen.

Das Bündnis sichert der von Russland angegriffenen Ukraine zu, dass sie auf
ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann. In dem
Text für die Abschlusserklärung des Spitzentreffens wird der Pfad zur
Mitgliedschaft als unumkehrbar bezeichnet, wie die Deutsche Presse-Agentur nach
den Verhandlungen über das Dokument erfuhr.

In dem Text wird noch einmal betont, dass eine formelle Einladung zum
Beitritt erst ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle
Aufnahmebedingungen erfüllt sind. Dazu zählen Reformen im Bereich der Demokratie
und Wirtschaft sowie des Sicherheitssektors.

Scholz zu Luftverteidigung: Prozess nicht abgeschlossen

Scholz (SPD) stellte der Ukraine weitere Hilfe in Aussicht und bezeichnete
die bisherige Unterstützung für das Land mit Luftverteidigungssystemen als
"großen Schritt". "Aus meiner Sicht ist dieser Prozess nicht abgeschlossen",
sagte Scholz vor einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj. Der bedankte sich bei Scholz für die Hilfe: "Danke, Olaf, für die
Luftverteidigung."

Die USA, Deutschland und weitere Verbündete hatten der Ukraine am Dienstag
zum Auftakt des Nato-Gipfels weitere Unterstützung zur Abwehr russischer
Luftangriffe zugesagt, darunter auch neue Patriot-Systeme. Vier hat das Land
schon, drei davon aus Deutschland.

Weitere sollen nun folgen: aus den USA, Rumänien und den Niederlanden. Die
Rumänen und Niederländer hatten dies schon vorab in Aussicht gestellt. Die
Nato-Partner betonten, im Laufe des Jahres sollten weitere Zusagen folgen.

Scholz sicherte den Verbündeten zu, dass Deutschland seiner Verantwortung
als größte europäische Volkswirtschaft auch in schwierigen Zeiten nachkommen
werde. "Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung", sagte er. "Und
das kann ich hier ganz klar und deutlich sagen: Wir werden, ich werde dieser
Verantwortung gerecht werden."

Mindestens 40 Milliarden Euro Militärhilfe

In dem Text für die Abschlusserklärung wird der Ukraine zugesichert, dass
sie innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40
Milliarden Euro erhält. Das ist der Betrag, der auch zuletzt mobilisiert wurde.

Die Zusage bleibt deutlich hinter dem zurück, was der scheidende
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ursprünglich gefordert hatte. Stoltenberg
wollte, dass es eine Mehrjahreszusage gibt, um Russlands Präsidenten Wladimir
Putin zu zeigen, dass er nicht auf nachlassendes Engagement des Westens setzen
kann. Unter anderem die USA wollten sich nicht langfristig verpflichten.

Russland kann bisher Luftüberlegenheit nutzen

Die Ukraine wehrt seit fast zweieinhalb Jahren eine russische Invasion ab
und ist dafür auf ausländische Waffenlieferungen angewiesen. Russland nutzt
seine Luftüberlegenheit für Angriffe auf die Infrastruktur des Landes,
Bevölkerungszentren und die an der Front weitgehend ungeschützt kämpfenden
ukrainischen Truppen.

Sein von Russland angegriffenes Land brauche mindestens 128 Kampfflugzeuge,
sagte Selenskyj bei einer Rede in der Ronald-Reagan-Stiftung in Washington.
Russland könne täglich 300 Flugzeuge zu Angriffen auf die Ukraine einsetzen.

Bei der Lieferung geht es nun um F-16-Jets aus amerikanischer Produktion,
die von Dänemark und den Niederlanden bereitgestellt werden. "Das
Übergabeverfahren für diese F-16 ist jetzt im Gange, und die Ukraine wird diesen
Sommer einsatzbereite F-16 fliegen", hieß es in der Erklärung. "Aus
Sicherheitsgründen können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Einzelheiten
bekanntgeben." Die drei Staaten dankten außerdem Belgien und Norwegen für die
Zusage, weitere Flugzeuge für Kiew zur Verfügung zu stellen.

US-Präsident tritt ohne Panne auf

Gastgeber Biden steht bei dem Gipfel unter besonderer Beobachtung. Sein
TV-Duell gegen Trump endete als Desaster. Seitdem ist er mit Forderungen aus der
eigenen Partei konfrontiert, sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückzuziehen.
Bislang brachte der US-Präsident seinen Auftritt beim Nato-Treffen jedoch ohne
größere Patzer über die Bühne./mfi/DP/he

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