27.06.2024 06:35:06 - dpa-AFX: ROUNDUP/Top-Jobs und ein Ehrengast: Scholz & Co beraten bei Gipfel in Brüssel

BRÜSSEL (dpa-AFX) - EU-Kommissionspräsidentin, EU-Chefdiplomat und
EU-Ratspräsident: Bei einem EU-Gipfel in Brüssel soll an diesem Donnerstag und
Freitag eine formelle Entscheidung zur Neubesetzung von EU-Spitzenposten nach
der Europawahl getroffen werden. Als nahezu sicher gilt, dass die deutsche
CDU-Politikerin Ursula von der Leyen dabei für eine zweite Amtszeit als
Präsidentin der EU-Kommission nominiert wird.

Eine informelle Einigung von Staats- und Regierungschefs der großen
europäischen Parteienfamilien vor dem Gipfel sieht zudem vor, dass die liberale
estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten
bekommt und der sozialdemokratische frühere portugiesische Regierungschef
António Costa zum EU-Ratspräsidenten gewählt wird. In dieser Position wäre Costa
dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu
leiten.

Selenskyj wird zu Gipfel erwartet

Am Rande des Spitzentreffens ist zudem vorgesehen, eine Vereinbarung über
die Sicherheitszusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU zu unterzeichnen.
Dazu wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Brüssel
erwartet. Neben dem Personalpaket soll beim Gipfel eine sogenannte strategische
Agenda für die Jahre bis 2029 angenommen werden. Mit ihr werden für die nächsten
fünf Jahre die Ausrichtung und die Ziele der EU festgelegt. Zudem stehen
Beratungen zur Lage im Nahen Osten sowie zur Wettbewerbsfähigkeit und
Verteidigungsindustrie der EU auf der Agenda.

Grundlage der informellen Einigung auf das Personalpaket ist das Ergebnis
der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Bei ihr erzielte das
Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als
Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis. Sie will nun mit der
zweitplatzierten Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D) und den Liberalen
(Renew) eine informelle Koalition bilden will. Für die EVP - zu der auch CDU und
CSU gehören
- verhandelten federführend der polnische Ministerpräsident Donald
Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die
Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident
Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron
und den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als
Verhandlungsführer.

Nun muss das Personalpaket auch formell beim Gipfel beschlossen werden.
Dafür braucht es die Zustimmung von 20 EU-Staaten, die gleichzeitig mindestens
65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Italiens rechte Ministerpräsidentin
Georgia Meloni hatte sich zuletzt erbost darüber gezeigt, dass sie trotz des
guten Ergebnisses ihrer Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bei der
Europawahl nicht direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt
wurde. Ihre Zustimmung wird aller Voraussicht nach aber auch nicht benötigt.

Parlament kann von der Leyen noch verhindern

Das EU-Parlament kann den Staats- und Regierungschefs aber theoretisch noch
einen Strich durch die Rechnung machen. Eine Mehrheit des Parlaments muss die
Besetzung der Kommission bestätigen. Das informelle Bündnis aus EVP,
Sozialdemokraten und Liberalen hat theoretisch eine komfortable Mehrheit von
etwa 400 der 720 Stimmen. Es wird aber damit gerechnet, dass eine gewisse Zahl
von Abgeordneten in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweichen und von
der Leyen nicht ihre Stimme geben werden. Deswegen wird davon ausgegangen, dass
sich von der Leyen auch noch um Stimmen von Abgeordneten anderer Parteien
bemühen wird, insbesondere um die der Grünen. Vertreterinnen und Vertreter der
Grünen hatten jüngst immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Ukraine bekommt Sicherheitszusagen

Das Sicherheitsabkommen, das die EU mit der Ukraine unterzeichnen will, geht auf eine Initiative der Mitglieder der G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte
zurück. Sie hatten am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius im
vergangenen Jahr vereinbart, dass einzelne Staaten mit der Ukraine bilaterale
Vereinbarungen abschließen sollten, um deren Sicherheit langfristig zu
gewährleisten. Länder wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich machten im
Januar und Februar den Anfang. Zuletzt folgten untere anderem die USA.

Mit den Abkommen werden der Ukraine unter anderem Waffenlieferungen,
Finanzhilfen und politische Kooperation zugesichert. Sie sollen helfen, die Zeit
bis zum angestrebten Nato-Beitritt des Landes zu überbrücken. Deutschland hat
der Ukraine beispielsweise zugesagt, seine militärische Unterstützung
fortzusetzen und auszubauen - unter anderem durch weitere Waffenlieferungen und
die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten.

Zuletzt war Selenskyj Ende Mai in Brüssel, um ein Sicherheitsabkommen
zwischen seinem Land und Belgien zu unterzeichnen. Mit ihm wird der Ukraine
unter anderem die Lieferung von 30 Kampfjets vom Typ F-16 zugesagt./mjm/DP/zb

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