24.05.2024 08:35:05 - dpa-AFX: LBBW-Chefvolkswirt Kraemer warnt vor neuer Euro-Schuldenkrise

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die hohe Verschuldung einiger Euro-Länder könnte den
Währungsraum mittelfristig wieder in eine tiefe Krise stürzen. Davor warnt der
Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Moritz Kraemer. "Wenn
sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt, kann ich mir eine solche Krise noch in
diesem Jahrzehnt vorstellen", sagte Kraemer am Freitag der
Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX in Frankfurt.

Die Euro-Schuldenkrise gilt als bisher größte Bewährungsprobe des jungen
Währungsraums. Sie nahm ihren Anfang mit der Staatsschuldenkrise Griechenlands
im Jahr 2010 und griff rasch auf weitere Länder wie Irland, Portugal oder
Spanien über. In der Hochphase wurde sogar über den Zusammenbruch des Euroraums
spekuliert. Als entscheidende Wende gilt das Jahr 2012, als die Europäische
Zentralbank (EZB) begann, den Währungsraum mit potenziell unbegrenzten
Staatsanleihekäufen zu stützen.

Kraemer bewertet vor allem die Haushaltsentwicklung der großen Euro-Länder
Frankreich und Italien als bedenklich. Frankreich hatte im vergangenen Jahr
seine Neuverschuldungsziele mit einem Defizit von 5,5 Prozent gerissen. Italiens
Haushaltslage ist noch schlechter und geht nicht zuletzt auf eine großzügige
Sonderregelung zur Hausrenovierung zurück, den sogenannten "Superbonus". Die
Gesamtverschuldung liegt in beiden Ländern deutlich über der Marke von 100
Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Für das einstige Sorgenkind Griechenland, dessen Schuldenquote in den
vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, zeigte sich Kraemer zuversichtlicher.
Das Land habe zum einen Reformen und Einsparungen vorgenommen, um seine
Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Darüber hinaus profitiere Athen von
einem günstigen Schuldendienst, der vor allem auf die Rettungspakete seiner
Euro-Partner zurückgeht.

Die Absicherung der EZB gegen eine neue Schuldenkrise im Euroraum bewertet
Kraemer als sinnvoll und hinreichend. "Allerdings kann die EZB nur eine
Übergangslösung bereitstellen." Entscheidend sei, dass die Länder ihre
Haushaltslage verbesserten und die Schuldenquoten zurückgingen. Die EZB sichert
den Währungsraum seit einiger Zeit über ihr Programm TPI (Transmission
Protection Instrument) ab, über das die Notenbank im Ernstfall wieder
Staatsanleihen einzelner Euro-Staaten kaufen könnte./bfg/jkr/jha/

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