08.07.2024 13:56:04 - dpa-AFX: Börse Frankfurt-News: "Liquidität ist ein Trumpf und kein Makel"

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters zieht eine Parallele
zwischen den Vor- und Nachteilen permanenter Handelbarkeit bzw. Bepreisung von
Wertpapieren zu der Frage, ob man im Urlaub erreichbar sein möchte. Mehr

8. Juli 2024. FRANKFURT (pfp Adisory). Die Urlaubszeit naht. Auch hier in Hessen
ist die letzte Schulwoche angebrochen und viele Gespräche drehen sich um die
anstehenden Reisen bzw. die ausgewählten Urlaubsorte. Ein weiterer Klassiker im
Small Talk in diesen "Vor-Ferien-Zeiten" ist die Frage, wie man es mit dem
Arbeiten am Pool oder Strand hält. Während die eine Fraktion, zu der durchaus
auch beruflich ambitionierte Leute gehören können, betont, dass sie mal ein,
zwei Wochen komplett abschalten will und "off" ist (vereinzelt auch auf Druck
des Arbeitgebers), interpretieren andere den Urlaub als "Arbeit an einem anderen
Ort".

Für mich liegt die Wahrheit seit jeher in der Mitte. Ich genieße es durchaus, in
einer ungewohnten und gerne sonnigen Umgebung einfach mehr Zeit für die Familie
zu haben und entsprechend viel gemeinsam machen zu können. Es käme mir aber
ebenso seit vielen Jahren nicht in den Sinn, die Möglichkeit der Kommunikation
zu ignorieren. So baue ich stets in jeden Urlaubstag morgens und abends Zeiten
ein, um Mails zu checken oder auch Anrufe zu tätigen. Ich habe das jedoch noch
nie als Belastung empfunden. Im Gegenteil: Es ist doch einfach angenehm, auch im
Urlaub abends das Gefühl zu haben, dass man stets im Bilde ist, was in der Firma
und an den Märkten los ist. Ich kann mit dieser Informationstiefe wesentlich
besser "chillen" als mit einer latenten Ungewissheit.

Warum führe ich das hier in einer Kapitalmarktkolumne aus? Nun, die Attitüde, ob
man sich zu Team "Immer auf dem Laufenden" oder Team "Lass mir mal zwei Wochen
meine Ruhe" zählt, kann man meiner Ansicht nach gut übertragen auf die
Einstellung, ob permanente Liquidität und Preisfeststellungen samt der
einhergehenden Schwankungen Fluch oder Segen sind.

Ich persönlich bin hier ganz klar pro liquide Assets, also an der Börse
fortlaufend gehandelte Papiere wie etwa Aktien oder Anleihen, und sehe auch
einen hohen Nutzen, wenn Investmentfonds mit diesen täglichen Preisen "atmen"
und dadurch zwangsläufig auch volatiler werden können. Das zusätzliche Risiko in
Form einer Abhängigkeit von anderen Marktteilnehmern, mitunter auch losgelöst
von fundamentalen Daten, halte ich für absolut beherrschbar, insbesondere wenn
der eigentliche Anlagehorizont lange ausgerichtet ist. Solange man nicht auf
Kredit spekuliert, ist man doch auch nicht gezwungen, in Schwächephasen zu
verkaufen. Und neben der permanenten Information, wie der Markt gerade eine
Anlage bewertet, ist die reine Handelbarkeit einfach zusätzliche Option.

Den großen Nachteil fehlender oder verzögerter Preisfeststellungen haben Inhaber
offener Immobilienfonds gerade erst spürbar durchlebt. Natürlich schwanken hier
die Kurse weniger stark, eben weil die in den Fonds enthaltenen Assets nicht so
oft den Besitzer wechseln wie Aktien und zudem Immobilien individuell und somit
weniger vergleichbar sind als einheitliche Anteile an einem Unternehmen. Auch
sind Gutachten seltener als etwa bei Aktien, bei denen Sellside-Analysten
öffentliche Wertaussagen tätigen. Die mit diesen Punkten verbundene niedrige
Volatilität honorieren Regulatoren und Depotbanken positiv mit spürbar niedrigen
"Risikoklassen". In der Konsequenz finden sich offene Immobilienfonds dann auch
in Depots konservativer und unerfahrener Anleger.

Wie trügerisch diese wenig schwankenden Preise sein können, erlebten Anleger
eines mehrere Milliarden schweren Immobilienfonds erst kürzlich, als das
vermeintlich sichere Wertpapier quasi über Nacht um 17 Prozent abgewertet wurde.
Dieser (für diese Anlageform) drastische Rutsch, verbunden mit einer bei diesen
Anlagen üblichen (und für die Steuerung sinnvollen) langen Rückgabefrist von
üblicherweise einem Jahr, zeigt meiner Meinung nach sehr deutlich, dass Ruhe für
den Moment sehr angenehm, aber halt auch sehr trügerisch sein kann. Weniger
überrascht waren übrigens die Anleger, die nicht nur die offiziellen
Rücknahmekurse im Auge hatten, sondern auch den (zugegebenermaßen wenig
liquiden) Handel im Zweitmarkt. Denn hier sorgten die offensichtlich durch die
Zinswende ausgelösten Veränderungen im Immobilienmarkt schneller für
Konsequenzen in Form niedrigerer Anteilspreise. Man kann es (übrigens auch bei
der Gegenüberstellung Public Equity vs. Private Equity) drehen, wie man will: Am
Ende ist der Inhaber liquider Assets zwar möglicherweise eher auch Fehlsignalen
ausgesetzt, wird aber deutlich seltener verspätet "kalt erwischt". Ich halte das
für einen wichtigen Vorteil.

Von Roger Peeters, 8. Juli 2024, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH.
Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am
deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow LU1865032954, einen
2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im
August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium
(). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin
Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset
Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse
Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die
Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder
anderen Vermögenswerten.)

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