04.06.2024 17:50:31 - dpa-AFX: KORREKTUR/ROUNDUP 3: Milliardenschwere Entschädigung für Kohleausstieg im Osten

(Berichtigung: Im 4. Satz des 16. Absatzes wurde eine falsche Jahreszahl
berichtigt: 2038 (nicht: 2028).)

BERLIN (dpa-AFX) - Das ostdeutsche Bergbauunternehmen Leag bekommt eine
milliardenschwere Entschädigung für den geplanten schrittweisen Kohleausstieg
bis 2038. Die EU-Kommission gab grundsätzlich grünes Licht für eine
Entschädigung bis zu einer Höhe von 1,75 Milliarden Euro. Wirtschafts- und
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sprach am Dienstag in Berlin von einem
wichtigen Schritt vor allem für die Menschen der Region. Damit seien
Entschädigungsgelder für die soziale Absicherung der Beschäftigten im Übergang
und für die Tagebaufolgekosten gesichert.

Die klimaschädliche Kohleverstromung in Deutschland sollte eigentlich erst
nach 2038 auslaufen. Damit die staatlichen Gelder fließen können, müssen die
Wettbewerbshüter in Brüssel grünes Licht geben. Die EU-Kommission habe die
Regelung nun in einer "vorläufigen" beihilferechtlichen Bewertung im Grundsatz
bestätigt, teilte das Wirtschaftsministerium mit.

Darum geht es im Kern

Konkret geht es um 1,2 Milliarden Euro an "Fixkosten" für
Rekultivierungskosten sowie Sozialkosten wie Sozialvereinbarungen. Das soll für
einen sozialverträglichen Abbau von Jobs sorgen. Das passiert unabhängig davon,
wann die Leag wirklich aus der Kohleverstromung aussteigt. Der Rest von bis zu
550 Millionen Euro ist laut Ministerium an Voraussetzungen gebunden.

Bei den möglichen Entschädigungen von bis 550 Millionen Euro geht es um
mögliche entgangene Gewinne der Leag durch den Ausstieg - das hängt aber davon
ab, ob die Kraftwerke über 2038 rentabel gewesen wären.

Habeck sprach von einer "spitzen" Abrechnung, abhängig zum Beispiel von
künftigen Preisen für Strom und CO2. Er habe befürchtet, dass es weniger Geld
geben würde. Mit Blick auf Brüssel sagte der Minister, erste Signale hätten ihn
nicht sehr zuversichtlich gestimmt.

Im März 2021 hatte die EU-Kommission eine Untersuchung gestartet, ob das
Vorhaben Deutschlands für die Entschädigung mit EU-Wettbewerbsregeln vereinbar
ist. Die nun gefundene vorläufige Einigung sollte eine solide Grundlage für
Deutschland sein, um die von der Kommission geäußerten Zweifel aus dem Jahr 2021
auszuräumen, teilte die Behörde mit. Habeck sagte, die technische Umsetzung
brauche noch Zeit.

Leag investiert in Windkraft und Photovoltaik

Der Energiekonzern Leag will im Zuge des Ausstiegs aus der Kohle kräftig in
den Ausbau erneuerbarer Energien investieren und das Unternehmen umbauen. Bis
2030 soll mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen in der Lausitz eine Leistung
von 7 Gigawatt erzielt werden. Kraftwerke sollen mit Wasserstoff betrieben
werden. Leag-Chef Thorsten Kramer sagte, die Entschädigung sei ein essenzieller
Baustein für die weitere erfolgreiche Transformation des Unternehmens zu einem
"grünen Powerhouse".

Kohleausstieg im Osten bis 2038 vereinbart

Für das Rheinische Revier haben sich die Politik und der Energiekonzern RWE
auf einen um acht Jahre auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg
verständigt. Ein früherer Ausstieg auch in den ostdeutschen Braunkohlerevieren
aber ist umstritten. Die Koalition auf Bundesebene aus SPD, Grünen und FDP hatte
in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Kohleausstieg "idealerweise" von 2038
auf 2030 vorzuziehen.

Habeck hatte vor einiger Zeit gesagt, ein auf 2030 vorgezogener Ausstieg
auch im Osten müsse im Konsens vereinbart werden. "Das wird nicht par ordre du
mufti entschieden werden, sondern es muss in einer breiten Allianz als guter
Plan empfunden werden."

In einem Papier des Ministeriums von Montag wurde mit Blick auf die
ostdeutschen Kohlereviere betont, der gesetzlich vereinbarte Ausstieg aus der
Kohleverstromung bis 2038 habe Bestand. "Die Bundesregierung wird keine
politischen Bemühungen unternehmen, um diese gesetzliche Frist zu verändern."
Das bekräftigte Habeck am Dienstag.

Leag-Vorstandschef Kramer sagte: "Ich gehe davon aus, dass wir die Jahre,
die vorgesehen sind für die Leag, auch erfüllen werden." Die Kraftwerke würden
abgeschaltet, wenn es ausreichende Alternativen für die Versorgungssicherheit
gebe. "Wir haben keine Glaskugel", so Kramer. Wind und Sonne ließen sich anders
als die Verstromung etwa durch Braunkohle nicht steuern.

Habeck rechnet mit früherem Ausstieg

Das Bundeswirtschaftsministerium hält einen schnelleren, marktgetriebenen
Kohleausstieg auch im Osten für möglich - vor dem Hintergrund einer Reform des
europäischen Emissionshandels. "Hin zu 2030 soll dann damit die
Braunkohleverstromung zunehmend unwirtschaftlicher werden", sagte Habeck - wobei
dies von vielen Faktoren abhänge.

Im Ministerium wird verwiesen auf den fortschreitenden Ausbau der
erneuerbaren Energien sowie auf den geplanten Bau neuer Gaskraftwerke, die auf
Wasserstoff umgestellt werden sollen - und die gesetzliche Möglichkeit, den
Kohleausstieg auf 2035 vorzuziehen. Habeck sagte, er glaube, dass ein
Kohleausstieg in den ostdeutschen Revieren früher passieren könne als 2038.

Der Minister hatte am Montag angekündigt, dass der Bund Spielräume bei
staatlichen Förderprogrammen in den bisherigen Kohleregionen erweitern will.
Damit soll der Strukturwandel beschleunigt werden. Ermöglicht werden sollen nun
auch direkte Investitionen in Unternehmensansiedlungen.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Energie-Gewerkschaft IGBCE, sagte:
"Die Entschädigungszahlungen für die LEAG gewährleisten nicht nur, dass durch
den Strukturwandel niemand ins Bergfreie fällt, sie eröffnen auch die Chance auf
sichere Revierplanung und neue, gute Beschäftigung in der Transformation." Nun
seien Bund, Länder und Unternehmen am Zug, um aus diesen Chancen echte
Perspektiven zu machen.

Die Reaktionen in Sachsen

"Es ist ein wichtiges Signal der Sicherheit aus Europa für die Menschen im
Revier, die Leag und für eine erfolgreiche Energie- und Klimawende. Das Signal
belegt: Weder die EU noch der Bund noch das Land lassen die Menschen und die
Unternehmen bei der anstehenden Transformation allein. Wir sorgen für
Sicherheit", sagte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Nun
könne die Braunkohleverstromung in der Lausitz spätestens im Jahr 2038 ein
kontrolliertes Ende finden. Sachsen habe Sicherheit, dass etwa Vereinbarungen
zur Renaturierung finanziert werden und das gesamte Setting für den
Kohleausstieg funktioniere.

Die Grünen im sächsischen Landtag sprachen von einem "sinnvollen
Kompromiss". Man brauche aber ein schlüssiges Konzept für die Einzahlung noch
fehlender Vorsorgegelder. "Das Geld für die Renaturierung muss auch im Falle
interner Umstrukturierung oder Insolvenz gesichert sein", hieß es. Das
Umweltnetzwerk Grüne Liga warf der Bundesregierung vor, Steuermilliarden an
Oligarchen zu verschenken.

Entschädigung für RWE bereits unter Dach und Fach

Im Dezember hatte die EU-Kommission eine milliardenschwere
Entschädigungszahlung für den vorzeitigen Ausstieg des Energiekonzerns RWE aus
der Braunkohleförderung und -verstromung in Nordrhein-Westfalen genehmigt. RWE
erhält demnach bis 2030 gestaffelt insgesamt rund 2,6 Milliarden Euro. Die
Ausgleichszahlung stelle zwar eine staatliche Beihilfe dar, hatte die
EU-Kommission in Brüssel mitgeteilt. Sie sei aber notwendig, damit RWE seine
Braunkohlekraftwerke auslaufen lassen könne. RWE will Braunkohlekraftwerke bis
Ende März 2030 betreiben, schließt einen anschließenden Reservebetrieb auf
Rechnung des Bundes aber nicht aus./hoe/DP/men
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
RWE AG INH O.N. 703712 Frankfurt 32,500 27.06.24 20:30:35 -0,750 -2,26% 0,000 0,000 33,250 32,500

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