11.07.2024 06:28:56 - dpa-AFX: Nato rüstet sich für düstere Zeiten

WASHINGTON (dpa-AFX) - Die Nato rüstet sich im 75. Jahr ihres Bestehens für
düstere Zeiten. Ein neuer Kalter Krieg mit Russland, eine Eskalation der
Spannungen mit China? Auf ihrem Jubiläumsgipfel treffen die 32 Alliierten in
Washington nun Vorsorge. Mit neuen politischen und militärischen Verpflichtungen
demonstriert das Bündnis Solidarität mit der Ukraine. Mit Blick auf die
Aggression Russland gegen den Nachbar verstärkt die Nato ihre Abschreckung in
Europa.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird heute am dritten und
letzten Gipfeltag mit Staats- und Regierungschef zusammenkommen - ebenso wie
Vertreter aus Indopazifik-Staaten, die sich wie die Nato wegen des Kurses von
China Sorgen machen.

Basis für die Gespräche ist das, was bereits am Mittwoch beschlossen wurde.
Ein Überblick:

Ukraine-Kommando in Wiesbaden

Die Nato koordiniert künftig von Wiesbaden aus Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte. Die Staats- und
Regierungschefs der Mitgliedstaaten beschlossen beim Gipfel den Start des
Einsatzes. Er soll am Freitag beginnen und dann nach und nach bislang von den
USA wahrgenommene Aufgaben übernehmen.

Für das neue Nato-Kommando sollen insgesamt rund 700 Mitarbeitende im
Einsatz sein, Deutschland will davon bis zu 40 Mitarbeiter stellen, darunter
auch einen Zwei-Sterne-General als stellvertretenden Kommandeur.

Das Nato-Projekt gilt auch als Vorkehrung für den Fall einer möglichen
Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025. Äußerungen des
Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die
Ukraine unter seiner Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland
unterstützen werden. Im Bündnis wird befürchtet, dass von einem politischen
Kurswechsel in Washington auch die Koordinierung von Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte betroffen sein könnte.

Ein Sondergesandter und viel Geld für Waffen

In der Gipfelerklärung wird der Ukraine zugesichert, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden
Euro erhält. Das ist in etwa der Betrag, der auch im vergangenen Jahr
mobilisiert werden konnte. Die Zusage entspricht nicht der mehrjährigen
Verpflichtung, die der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
ursprünglich gefordert hatte. Für die Ukraine ist sie aber besser als gar keine.
Zudem umfasst das Ukraine-Paket die Entscheidung, einen ranghohen Nato-Vertreter
in die Ukraine zu schicken.

Weg in Nato nun "unumkehrbar"

Beim Streitthema Nato-Beitrittsperspektive gibt es einen Kompromiss. Das
Bündnis sichert der von Russland angegriffenen Ukraine zudem zu, dass sie auf
ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann. In der
Abschlusserklärung wird der Pfad zur Mitgliedschaft als unumkehrbar bezeichnet.
Zugleich wird noch einmal betont, dass eine formelle Einladung zum Beitritt erst
ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle
Aufnahmebedingungen erfüllt sind. Dazu zählen Reformen im Bereich der Demokratie
und Wirtschaft sowie des Sicherheitssektors.

Abwehr gegen Cyber-Bedrohungen aus China und Russland

Um die Nato besser gegen Hackerangriffe oder Desinformationskampagnen zu
wappnen, wird ein neues Zentrum für Integrierte Cyberabwehr aufgebaut. Es soll
unter anderem zur Verbesserung des Netzwerkschutzes und des Lagebilds beitragen.

Nato verschärft Ton gegenüber China

In der Gipfelerklärung wirft die Nato China vor, entscheidende Beihilfe für
Russlands Krieg gegen die Ukraine zu leisten. Als Beispiele werden die
umfangreiche Unterstützung Chinas für die russische Verteidigungsindustrie sowie
die sogenannte grenzenlose Partnerschaft zwischen den beiden Ländern genannt.

Zugleich wird die Regierung in Peking vor den Konsequenzen gewarnt. China
könne den größten Krieg der jüngeren Geschichte in Europa nicht ermöglichen,
ohne dass dies negative Auswirkungen auf seine Interessen und seinen Ruf habe,
heißt es in der Erklärung. Die immer enger werdende strategische Partnerschaft
zwischen Russland und China und deren sich gegenseitig verstärkende Versuche,
die regelbasierte internationale Ordnung zu unterhöhlen und umzugestalten, gäben
Anlass zu großer Sorge.

Und sonst?

Die USA kündigten am Mittwoch zudem an, erstmals seit dem Kalten Krieg
wieder Waffensysteme in Deutschland zu stationieren, die bis nach Russland
reichen. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr
als 2000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu
entwickelte Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in
Europa sorgen.

Außerdem sollen noch in diesem Sommer die von ausländischen Partnern
versprochenen F-16-Kampfjets in der Ukraine zur Abwehr des russischen
Angriffskrieges zum Einsatz kommen. Der Transfer der Jets sei bereits im Gange,
teilten die USA, die Niederlande und Dänemark mit./aha/DP/stk

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