11.07.2024 06:19:58 - dpa-AFX: POLITIK: Umfrage: Viele Juden in der EU haben Angst

WIEN (dpa-AFX) - Viele Juden in der EU verbergen laut einer Umfrage ihre
Identität aus Sorge um ihre Sicherheit. Jeder dritte Befragte meide gar jüdische
Veranstaltungen oder Orte, weil er sich nicht sicher fühle, geht aus der Studie
der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien hervor. Insgesamt seien 80 Prozent
der befragten Jüdinnen und Juden der Meinung, dass der Antisemitismus in ihrem
Land in den vergangenen fünf Jahren zugenommen habe. Eine wesentliche Rolle
spielten dabei Hass-Kommentare im Internet. 37 Prozent der Befragten hätten
angegeben, wegen ihrer jüdischen Identität meist auf Straßen, in Parks oder
Geschäften belästigt worden zu sein.

Die Umfrage unter rund 8.000 Juden in 13 Staaten der EU wurde im ersten
Halbjahr 2023 durchgeführt, also noch vor dem Massaker von Terroristen der
islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 in
Israel und dem folgenden Gaza-Krieg. Im Vergleich zu zwei vorhergehenden
Umfragen zum selben Thema in den Jahren 2013 und 2018 zeige sich, dass weiterhin
sehr viele Juden und Jüdinnen den Antisemitismus im Internet und im wahren Leben
zu spüren bekämen, hieß es.

FRA-Chefin: "Welle des Antisemitismus"

"Europa erlebt eine Welle des Antisemitismus, die teilweise durch den
Konflikt im Nahen Osten angeheizt wird", sagte FRA-Direktorin Sirpa Rautio. Es
gelte, in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft die Botschaft der Toleranz
zu verbreiten und die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten. Seit dem
Gaza-Krieg sei die Zahl der antijüdischen Vorfälle noch einmal gestiegen.
"Manche Organisationen melden einen Anstieg von über 400 Prozent", teilte die
FRA unter Berufung auf Recherchen in jüngster Zeit mit.

Deutschland keine Ausnahme

Nach den vorliegenden Daten weicht auch Deutschland nicht vom negativen
Trend ab. 80 Prozent der Befragten verzichteten zumindest fallweise auf das
Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit, geht aus der Befragung hervor.
Neun Prozent sagten, dass sie in den vergangenen fünf Jahren angegriffen worden
seien - dies sei eine der höchsten Raten in der Umfrage. 51 Prozent hätten wegen
des Antisemitismus mit dem Gedanken gespielt, aus Deutschland auszuwandern. Auch
dies sei ein vergleichsweise hoher Anteil. Insgesamt leben in der Bundesrepublik
etwa 171.000 Jüdinnen und Juden.

Besserer Schutz gefordert

Die Grundrechte-Agentur forderte, die teilweise vorhandenen Aktionspläne
gegen Antisemitismus auch umzusetzen. Das gelte nicht zuletzt für die Bekämpfung
der antijüdischen Kommentare im Internet. Um den Betroffenen die Angst zu
nehmen, sei es nötig, mehr in den Schutz der jüdischen Bürger zu
investieren./mrd/DP/stk

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