11.07.2024 06:12:17 - dpa-AFX: Klinik-Umfrage: Mehr als zwei Drittel schreiben rote Zahlen

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die finanzielle Not der Krankenhäuser verschärft sich
nach einer Branchenerhebung weiter. Mehr als die Hälfte von 650 befragten
Klinik-Führungskräften sah im zweiten Quartal die Liquidität des eigenen Hauses
"gefährdet" oder sogar "stark gefährdet", wie die Umfrage der
Unternehmensberatung Roland Berger ergab. Im Schnitt könnte nach dieser
Selbsteinschätzung 28 Prozent der Kliniken bis Jahresende die Insolvenz drohen.

70 Prozent machen Verlust

"Es sind nicht nur die kleinen Krankenhäuser, es sind auch sehr, sehr, sehr
viele große Krankenhäuser dabei, auch Maximalversorger und
Universitätskliniken", sagte der Krankenhaus-Fachmann und Partner des Münchner
Beratungsunternehmens, Peter Magunia,. "Insbesondere öffentliche Krankenhäuser
stehen noch mal stärker unter Druck."

Im vergangenen Jahr schrieben demnach 70 Prozent der Krankenhäuser rote
Zahlen. "Wir glauben, dass es auch sehr kurzfristig zu weiteren Schließungen
kommen wird, wenn wir uns die wirtschaftliche und die Liquiditätssituation
ansehen", sagte Magunia.

Auch städtische Kliniken in Not

Anders als oft angenommen, geraten keineswegs nur kleine Krankenhäuser auf
dem Lande in Not. "Die Herausforderung ist in den Städten teilweise noch ein
bisschen größer", sagte Janes Grotelüschen, Koautor und ebenfalls Partner bei
Roland Berger. "Was die Bettendichte angeht, sind wir in den Städten meistens
noch besser ausgestattet als ländlich. Daher gibt es in den Städten teilweise
noch größere Auslastungsprobleme."

Ein weiteres großes Problem ist fehlendes Personal, weil Pflegekräfte und
andere Klinikangestellte keine allzu hohen Einkommen haben: "In den Städten ist
es teilweise noch schwieriger für die Krankenhäuser, Personal zu finden, weil
die Lebenshaltungskosten nicht so gut mit den Tarifen zusammenpassen", sagte
Grotelüschen.

Neuer Pleiterekord möglich

Die Umfrage deckt sich im Wesentlichen mit der pessimistischen Einschätzung
der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die im Frühjahr von einer nie erlebten
wirtschaftlichen Schieflage gesprochen hatte. 2023 hatten laut
Krankenhausgesellschaft bundesweit 40 Häuser Insolvenz angemeldet, in diesem
Jahr könnte demnach ein neuer Negativrekord drohen.

Die Bundesregierung hat zwar versprochen, die Krankenhausfinanzierung auf
solide Füße zu stellen. Die Reform soll Anfang 2025 in Kraft treten. Momentan
aber herrscht in den Krankenhäusern Unsicherheit, wie Magunia sagte. "Derzeit
kann kein Krankenhaus die Effekte aus der Krankenhausreform kalkulieren und
sozusagen auf das eigene Haus herunterbrechen. Es gibt kein Modell, weder eines,
das zur Verfügung gestellt würde, noch eines, das man sozusagen selbst aufsetzen
könnte."

Rettung durch Fusion?

Mittel- und längerfristig werden viele Krankenhäuser nach Einschätzung der
beiden Klinikexperten auf Zusammenschlüsse angewiesen sein. "50 Prozent aller
Geschäftsführer denken über Fusionen nach", sagte Magunia. "Viele Krankenhäuser
werden nicht solitär überleben können, sondern nur im Verbund." Es gebe bereits
einige Krankenhausverbünde - "die müssen aber auf jeden Fall größer
werden"./cho/DP/stk

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