15.05.2024 06:17:42 - dpa-AFX: POLITIK/Gabriele Haseloff: Politisch aktiv an seiner Seite

WITTENBERG (dpa-AFX) - Ihr Platz ist ganz vorn. Erste Reihe außen, grauer
Stuhl, Tablet statt Papierberge auf dem weißen Tisch. Gabriele Haseloff ist
darauf eingestellt, dass die Sitzung mehrere Stunden dauern wird.
Landesgartenschau in Wittenberg, ein Bebauungsplan, ein Radweg,
Nachtragshaushalt - die Tagesordnung im Stadtrat erzählt viel über das
Tagesgeschäft von ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Mit ihren 70 Jahren könnte
Gabriele Haseloff diese Stunden auch anders verbringen - doch zur Wahl im Juni
tritt sie noch einmal an.

Eigentlich habe sie das gar nicht vorgehabt, sagt sie. "Ich bin der Meinung, dass die jungen Leute jetzt endlich auch mal ranmüssen." Doch die "allgemeine
Entwicklung" habe den Ausschlag gegeben. "Wenn ich mir überlege, dass vielleicht
noch mehr Plätze von der AfD besetzt werden im Stadtrat ? da habe ich mir
gedacht, dann musst du noch mal antreten. Wenn ich der AfD nur einen Platz
wegnehme, habe ich mein Ziel erfüllt."

Bei ihrem Mann Reiner war es vor drei Jahren ähnlich. Der Ausstieg aus der
Landespolitik war bereits in Planung. Mehr Zeit mit den Kindern und Enkeln, mehr
Zeit für Reisen - das war der Wunsch. Doch als der Ministerpräsident den
Eindruck hatte, er könne für die CDU in Sachsen-Anhalt das beste Ergebnis
einfahren und die AfD in die Schranken weisen, hat er noch einmal kandidiert.
Die Rechnung ging auf. Nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten machte er
Gabriele öffentlich eine Liebeserklärung. Er könne sich ein Leben ohne seine
Frau nicht vorstellen, sagte der Regierungschef. Sie sei eine Stütze in allen
Bereichen und zugleich die stärkste Kritikerin.

In die CDU, um nicht in die SED zu müssen

Das politische Engagement verbindet die Haseloffs seit Jahrzehnten. Ende der 70er sind sie in die CDU eingetreten. "Das war der einfachste Weg, um nicht in
die SED zu müssen. Meine Schwiegermutter hat die Beiträge bezahlt. So konnten
wir immer sagen, wir sind schon in einer Partei", sagt Gabriele Haseloff. In
Cottbus geboren, kam sie über Hoyerswerda, das Zahnmedizinstudium in Budapest
und Berlin mit ihrem Mann nach Wittenberg.

1990 wurden beide vom Pfarrer angesprochen, ob sie sich für den Stadtrat
bewerben möchten. "Und dann haben wir beide kandidiert. Es war eine
Aufbruchstimmung in dieser Zeit und man wollte selbst was bewegen für die
Stadt." Seitdem gehört der Name Haseloff zur kommunalen Politik, auch wenn sie
mal ein paar Jahre ausgesetzt hat. Einer der Söhne war ebenfalls im Rat. "Einer
muss immer", scherzt der Ministerpräsident gerne, wenn er über seine Heimat
spricht.

Doch was so leicht dahingesagt ist, ist an vielen Tagen mühevolle Arbeit.
Stundenlange Sitzungen für eine geringe Aufwandsentschädigung
- da reißen sich die wenigsten drum. Die Parteien setzen zu den
Kommunalwahlen am 9. Juni deshalb auch auf viele ältere und auf parteilose
Kandidaten. Mehr als 10 000 Sitze sind in Sachsen-Anhalt insgesamt zu vergeben.
"Wegen des Geldes macht das kein einziger Mensch. Entweder ich mache das aus
Überzeugung oder ich lasse es", sagt Gabriele Haseloff.

Kurzer Draht in die Landespolitik

In den Ausschüssen befasst sie sich regelmäßig mit Kitas und Schulen. Dort
nehme sie die Dinge nicht etwa als Frau des Ministerpräsidenten in den Blick -
sondern häufig als Mutter und Großmutter, sagte der Wittenberger
Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). Die Zusammenarbeit sei
unaufgeregt und professionell, aber Gabriele Haseloff sei durch ihren Nachnamen
schon immer besonders im Fokus. Wenn das Ehepaar in Wittenberg irgendwo
gemeinsam hinkomme und Reiner Haseloff dann manchmal sage, er sei heute nur in
Begleitung seiner Frau als Stadträtin dabei, funktioniere das so nicht, erzählt
Zugehör. "Wenn er da ist, ist er immer der Ministerpräsident."

Gabriele Haseloff bewegt gerne auch kleine Dinge abseits klassischer Themen
im Stadtrat. Sie berichtet, dass es vor einer Physiotherapie abends zu dunkel
war und wie sie mit Verwaltung und Stadtwerken erreicht hat, dass eine Laterne
davor angeschaltet wurde. Und natürlich hat sie einen kurzen Draht zur
Landespolitik, wenn der für ihre Fraktion nötig ist. Bisweilen fragt sie ihren
Mann Reiner nach bestimmten Dingen. Gibt sie ihm denn selbst auch Hinweise? "Ich
mische mich nicht in seine politische Arbeit ein. Aber ich sage, was ich denke."

Politische Ambitionen über die Stadtgrenze hinaus hat sie nie gehabt. "Ich
bin eher die Frau für die zweite Reihe." Und nebenbei natürlich auch First Lady.
Buchmesse, Berlinale, Grüne Woche, Tag der Deutschen Einheit, Staatsbesuch eines
Königspaars - da begleitet sie den Ministerpräsidenten gelegentlich. "Manchmal
ist es anstrengend, aber protokollarisch vorgeschriebene Dinge gehören dazu. Da
habe ich eben dabei zu sein, das gehört sich so und das mache ich dann auch
gerne. Und vieles andere kann ich mir ja aussuchen."/cki/DP/zb

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