14.05.2024 14:08:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: Institute sehen großen zusätzlichen Investitionsbedarf in Deutschland

BERLIN (dpa-AFX) - Wirtschaftsinstitute sehen angesichts einer teils maroden
Infrastruktur und dem Kampf gegen den Klimawandel einen immensen
Investitionsbedarf in Deutschland. In den kommenden zehn Jahren müssten
insgesamt 600 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden - das ist das
Ergebnis einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft
(IW) sowie des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK). Eine Reform der Schuldenbremse sei dringend
erforderlich, sagte der IMK-Direktor Sebastian Dullien am Dienstag in Berlin.

Die Studie kommt mitten in schwierigen Verhandlungen innerhalb der
Bundesregierung über den Bundeshaushalt 2025. Die FDP pocht darauf, dass die im
Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten wird. Diese sieht neue
Schulden nur in einem begrenzten Umfang vor.

Dullien sagte, angesichts eines Investitionsstaus müssten "ideologische
Scheuklappen" abgenommen werden. Es seien mutige und entschlossene Maßnahmen
notwendig. IW-Direktor Michael Hüther sagte, Deutschland stehe vor einer enormen
Herausforderung bei der Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur und bei
der klimaneutralen Transformation. "Hier muss wirklich gesprungen werden."

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, die auf den Bund entfallenden
öffentlichen Investitionen seien in den kommenden zehn Jahren realisierbar. "Die
Voraussetzung ist eine neue Prioritätensetzung im Haushalt. Ineffiziente
Subventionen, Umverteilung, Fehlanreize am Arbeitsmarkt und die Zinslast der
Staatsverschuldung bremsen uns noch. Bei der Haushaltswende haben wir
Fortschritte erzielt, die wir jetzt ausbauen müssen."

Die Wissenschaftler veranschlagen alleine rund 200 Milliarden Euro über zehn Jahre für öffentliche Investitionen in den Klimaschutz, zum Beispiel für die
energetische Gebäudesanierung oder den Netzausbau für Strom und Wasserstoff.
Rund 127 Milliarden Euro sollten zusätzlich in Verkehrswege werden, alleine
knapp 60 Milliarden Euro für die Modernisierung des Schienennetzes.

Auch wenn der Betrag von knapp 600 Milliarden Euro über zehn Jahre
gigantisch erscheine: Im Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung sei der
zusätzliche Finanzbedarf von jährlich rund 60 Milliarden Euro oder rund 1,4
Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts eine überschaubare Größenordnung,
so die Institute. Die Schuldenbremse könnte durch eine "Goldene Regel" ergänzt
werden - diese würde Investitionen von der geltenden Neuverschuldungsbegrenzung
ausnehmen. Eine möglicherweise "politisch akzeptablere" Alternative wäre ein
großvolumiger Infrastrukturfonds. Dieser wäre, wie das 100 Milliarden Euro
schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, von der Schuldenbremse ausgenommen.
Einen Infrastrukturfonds hatte auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP)
vorgeschlagen.

In einer Studie 2019 hatten die Institute einen zusätzlichen
Investitionsbedarf von 450 Milliarden Euro ermittelt. In der Zwischenzeit aber
seien zum Beispiel die Anforderungen an den Klimaschutz sowie die Baukosten
deutlich gestiegen./hoe/DP/jha

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