03.01.2024 07:00:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Neue Chance für Kabel-TV-Kunden - Millionen Mieter müssen umplanen

DÜSSELDORF/BERLIN (dpa-AFX) - Millionen Mieter müssen spätestens in einem
halben Jahr vertraglich neue Wege gehen, um in ihrer Wohnung weiter fernsehen zu
können. Am 1. Juli läuft eine gesetzliche Frist aus - ab dann dürfen Vermieter
die TV-Gebühren nicht mehr auf die Nebenkosten umlegen. Jahrelang betraf diese
Praxis circa 12 Millionen Mieter. Nun endet das in den 80-ern eingeführte
Nebenkostenprivileg, das den Kabelnetzbetreibern Vodafone und
Tele Columbus einen Vorteil beschert hat. Eine Alternative zum
Kabelfernsehen ist die TV-Übertragung über das Internet, Anbieter wie Magenta TV
von der Deutschen Telekom sowie Waipu und Zattoo sehen sich jetzt
im Aufwind.

Die Platzhirsche müssen sich auf Kundenverluste einstellen, denn ein Teil
der Mieter will heraus aus der bisherigen Pflichtzahlung. Die Kabelgebühren
musste jeder Mieter zahlen, dessen Vermieter das so wollte - selbst wenn der
Mieter das lineare Fernsehen gar nicht mehr nutzt. Manche Mieter zahlten zwar
doppelt - also für den ungenutzten Kabelanschluss und für einen anderen
Übertragungsweg, der mehr Möglichkeiten bot. Viele dürften aber vor so einer
Doppelzahlung zurückgeschreckt haben - wenn die Pflichtzahlung für Kabel
wegfällt, wird die Nachfrage nach den Konkurrenzangeboten wohl steigen.

Den Kabelanbietern drohen Einbußen

In einer Investorenpräsentation geht Vodafone auf die Folgen der
Gesetzesänderung ein und nennt hierbei eine Jahresumsatzzahl von circa 800
Millionen Euro. Darüber hatte zuvor die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
berichtet. Diese Zahl bezieht sich auf 8,5 Millionen TV-Kunden, die über
Wohnungsbaugesellschaften kommen. Insgesamt hat Vodafone nach eigenen Angaben 13
Millionen Kabelkunden - dessen größter Teil muss nun also vertraglich neu
geregelt werden.

"Es wird sicherlich herausfordernd", sagt Vodafone-Manager Marc Albers mit
Blick auf die drohenden Einbußen. "Wir sind dennoch optimistisch, dass wir mit
unseren Angeboten die Mieter auch künftig überzeugen." Von Tele Columbus heißt
es, es gebe "gewisse geschäftliche Risiken".

Für Kabelkunden wird es etwas teurer

Die Firmen bieten jetzt neue Verträge und Vereinbarungen an, mit denen
Mieter außerhalb der Nebenkosten weiterhin von relativ günstigen Konditionen
profitieren können. Hierfür sind die Kabelanbieter Kooperationen mit
Wohnungsbaugesellschaften eingegangen. Denn das war ein Vorteil der bisherigen
Umlagefähigkeit: Weil die Vermieter mit den Kabelanbietern große Verträge mit
vielen Nutzern abschlossen, war der Durchschnittspreis pro Wohnung niedrig - bei
Vodafone waren es Firmenangaben zufolge bislang sieben bis neun Euro.

Künftig sollen es acht bis zehn Euro sein - vorausgesetzt, es wird eine
dieser neuen Vereinbarungen genutzt, die eine gewisse Menge an Abnehmern
enthält. Liegt hingegen kein Rahmenvertrag vor und ist der Mieter als
Einzelkunde auf sich allein gestellt, muss er bei Vodafone künftig monatlich
knapp 13 Euro berappen.

Im Kampf um die Kundengunst setzt Vodafone auch auf die Macht der
Gewohnheit. "Die Marktforschung zeigt, dass viele Mieter eher "Fernseh-Puristen"
sind, denen ihre gewohnten Programme wichtiger sind als Streaming-Dienste oder
Internetfernsehen", sagt Albers. "Niemand möchte Kabel umstecken, zusätzliche
Geräte installieren, eine zweite Fernbedienung verwenden oder Programme neu
sortieren. Beim Fernsehempfang über Kabel bleibt alles so, wie es ist."

Konkurrenten wittern ihre Chance

Bei der Telekom sieht man das anders, der zuständige Manager Arnim Butzen
verweist auf die veränderten Gewohnheiten vieler Menschen. "Anders als beim
Kabelfernsehen sind Magenta-TV-Kunden nicht an einen Ort wie das Wohnzimmer
gebunden", sagt er. "Sie sehen fern, wann und wo sie möchten: zuhause auf dem
TV-Gerät, in der Bahn auf dem Smartphone oder auf dem Balkon mit dem Tablet."

Die Wettbewerber hoffen auf einen möglichst großen Anteil am Markt, der
bisher fest in der Hand von Vodafone & Co. ist. "Nach unserer Einschätzung
könnten die Kabel-Anbieter bis zu zwei Drittel ihrer TV-Haushalte verlieren",
sagt Telekom-Mann Butzen. "Der Wegfall des Nebenkostenprivilegs ist für unser
TV-Angebot eine große Chance, wir können nur gewinnen." Man rechne mit einem
deutlichen Kundenzuwachs. Vodafone hingegen verweist auf eine selbst in Auftrag
gegebene Umfrage, der zufolge die meisten Kabel-Kunden eigentlich keine
Änderungen wollen.

Frank Lilie vom Satelliten-TV-Anbieter Astra hält viele Marktprognosen zwar
für spekulativ. "Klar ist aber: Es wird eine Bewegung weg vom Kabel geben - und
davon wird der TV-Empfang über Satellit profitieren." Ein Fernsehzugang über
eine Satellitenschüssel am Balkon oder auf dem Dach ist eine Alternative zum
Kabel-Fernsehen. Außerdem gibt es noch Antennenfernsehen sowie besagte
Onlinedienste.

Wer einen Internetanschluss hat, kann zum Beispiel über Waipu.tv Zugriff auf eine Vielzahl an Fernsehsendern und Streamingdiensten bekommen. Firmenangaben
zufolge hat Waipu bereits 1,3 Millionen zahlende Abokunden, Tendenz steigend.
Auch Konkurrent Zattoo ist nach eigenen Angaben auf dem aufstrebenden Ast. Man
sehe in dem Auslaufen der gesetzlichen Frist "enorme Chancen" und gehe davon
aus, von den wechselwilligen bisherigen Kabelkunden "einen signifikanten Anteil
von unserem Angebot überzeugen zu können", heißt es von Zattoo.

Bisher nur wenige "Cable-Cutter"

Beim Kabelanbieter Tele Columbus mit seiner Marke P?UR gibt man sich
gelassen. "Wir gehen davon aus, dass die Kundinnen und Kunden ihre Entscheidung
zur Wahl des Verbreitungsweges bereits getroffen haben", sagt Pressesprecher
Sebastian Artymiak. Die Kundenverluste hielten sich nach seiner Darstellung
bisher noch in Grenzen: "Der Anteil der so genannten Cable-Cutter ist immer noch
gering." Das Gesetz, das den Abschied vom Nebenkostenprivileg besiegelte, trat
im Dezember 2021 in Kraft, inklusive der Übergangsfrist bis Mitte 2024.

Und was passiert, wenn bis zum 1. Juli nichts passiert - wenn die Frist
verstreicht und noch keine vertragliche Neuregelung oder noch kein Wechsel auf
einen anderen Übertragungsweg erfolgt ist? Die Abschaltungen erfolgten
sicherlich "nicht auf einen Schlag", sagt Artymiak. "Richtig ist aber,
Kabelanschlüsse ohne Vertrag werden schlussendlich stillgelegt."/wdw/DP/zb
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
DT.TELEKOM AG NA 555750 Xetra 22,290 31.05.24 17:36:55 +0,280 +1,27% 0,000 0,000 22,120 22,290
VODAFONE GROUP PLC A1XA83 Xetra 0,884 31.05.24 17:35:52 +0,008 +0,89% 0,000 0,000 0,881 0,884
TELE COLUMBUS AG NA O.N. TCAG17 Hamburg 0,650 31.05.24 08:16:11 -0,040 -5,80% 0,000 0,000 0,650 0,650

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