10.07.2024 17:10:50 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Ukraine erhält F-16-Jets - Weg in Nato nun 'unumkehrbar'

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WASHINGTON (dpa-AFX) - Nato-Staaten machen jetzt Tempo bei der Ausrüstung
der Ukraine mit westlichen Kampfflugzeugen: Der Transfer von F-16-Jets sei
bereits im Gange, kündigten die USA, die Niederlande und Dänemark am Dienstag in
einer gemeinsamen Erklärung am Rande des Nato-Gipfels in Washington an. Damit
könnten die Maschinen noch diesem Sommer zur Abwehr des russischen
Angriffskrieges zum Einsatz kommen.

Das Bündnis sichert der von Russland angegriffenen Ukraine zudem zu, dass
sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden
kann. In dem Text für die Abschlusserklärung des Spitzentreffens wird der Pfad
zur Mitgliedschaft als "irreversibel" bezeichnet, wie die Deutsche
Presse-Agentur nach Abschluss der Verhandlungen über das Dokument erfuhr.

In dem Text wird noch einmal betont, dass eine formelle Einladung zum
Beitritt erst ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle
Aufnahmebedingungen erfüllt sind. Dazu zählen Reformen im Bereich der Demokratie
und Wirtschaft sowie des Sicherheitssektors.

Scholz zu Luftverteidigung: Prozess nicht abgeschlossen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte der Ukraine unterdessen weitere
Hilfe in Aussicht und bezeichnete die bisherige Unterstützung für das Land mit
Luftverteidigungssystemen als "großen Schritt". "Aus meiner Sicht ist dieser
Prozess nicht abgeschlossen", sagte Scholz vor einem Treffen mit dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Danke, Olaf, für die
Luftverteidigung", sagte Selenskyj zu Scholz.

Die USA, Deutschland und weitere Verbündete hatten der Ukraine am Dienstag
zum Auftakt des Nato-Gipfels weitere Unterstützung zur Abwehr russischer
Luftangriffe zugesagt. Die Ukraine hatte bereits im April sieben zusätzliche
Patriot-Systeme gefordert, Deutschland hat drei davon bereits geliefert und
darauf gesetzt, dass andere Nato-Staaten folgen.

Scholz sicherte D(SPD) hat den Verbündeten zu, dass Deutschland seiner
Verantwortung als größte europäische Volkswirtschaft auch in schwierigen Zeiten
nachkommen werde. "Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung", sagte
Scholz. "Und das kann ich hier ganz klar und deutlich sagen: Wir werden, ich
werde dieser Verantwortung gerecht werden",

Beitrittsperspektive bleibt Streitthema

Der Text für die Abschlusserklärung ist ein Kompromiss, der die
unterschiedlichen Positionen im Bündnis zum Nato-Beitrittsprozess abbildet. Die
Nato-Perspektive für die Ukraine ist innerhalb der Allianz seit langem ein
Streitthema. So lehnen es Länder wie Deutschland und die USA ab, in der
derzeitigen Situation eine formelle Einladung zum Beitritt auszusprechen. Grund
ist vor allem die Sorge, dass ein solcher Schritt zu einer weiteren Eskalation
des Ukraine-Krieges führen könnte.

Auf der anderen Seite stehen etliche andere Alliierte, die argumentieren,
dass Russland klar und deutlich gezeigt werden sollte, dass es einen
Nato-Beitritt der Ukraine nicht wird verhindern können. In dieser Logik besteht
die Hoffnung, dass eine Einladung der Ukraine in die Nato sogar zu einem
schnelleren Ende des Krieges führen könnte.

Die deutsch-amerikanische Position ist für die Ukraine vor allem deswegen
problematisch, weil sie für Moskau ein Argument gegen die Aufnahme von
Verhandlungen sein könnte. Eines der erklärten Kriegsziele von Kremlchef Putin
ist die Verhinderung eines Nato-Beitritts des Nachbarstaates.

Eine Grundsatzeinigung zur Aufnahme der Ukraine hatten die Nato-Staaten
eigentlich bereits im Jahr 2008 getroffen. Damals war bei einem Gipfeltreffen in
Bukarest vereinbart worden, dass die Ukraine ein Mitglied der Nato wird -
allerdings ohne jeden Zeitplan.

Mindestens 40 Milliarden Euro Militärhilfe

In dem Text für die Abschlusserklärung wird der Ukraine zudem zugesichert,
dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von
mindestens 40 Milliarden Euro erhält. Das ist der Betrag, der auch in den
vergangenen Jahren mobilisiert wurde.

Die Zusage bleibt deutlich hinter dem zurück, was der scheidende
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ursprünglich gefordert hatte. Stoltenberg
wollte, dass es eine Mehrjahreszusage gibt, um Russlands Präsidenten Wladimir
Putin zu zeigen, dass er nicht auf nachlassendes Engagement des Westens setzen
kann. Unter anderem die USA wollten sich jedoch nicht langfristig verpflichten.

Russland kann bisher Luftüberlegenheit nutzen

Die Ukraine wehrt seit fast zweieinhalb Jahren eine russische Invasion ab
und ist dafür auf ausländische Waffenlieferungen angewiesen. Russland nutzt
seine Luftüberlegenheit für Angriffe auf die Infrastruktur des Landes,
Bevölkerungszentren und die an der Front weitgehend ungeschützt kämpfenden
ukrainischen Truppen. Sein von Russland angegriffenes Land brauche mindestens
128 Kampfflugzeuge, sagte Selenskyj bei einer Rede in der Ronald-Reagan-Stiftung
in Washington. Russland könne täglich 300 Flugzeuge zu Angriffen auf die Ukraine
einsetzen.

F-16-Jets, die Dänemark und die Niederlande bereitstellen

Bei der Lieferung geht es nun um F-16-Jets aus amerikanischer Produktion,
die von Dänemark und den Niederlanden bereitgestellt werden. "Das
Übergabeverfahren für diese F-16 ist jetzt im Gange, und die Ukraine wird diesen
Sommer einsatzbereite F-16 fliegen", hieß es in der Erklärung. "Aus
Sicherheitsgründen können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Einzelheiten
bekanntgeben." Die drei Staaten dankten außerdem Belgien und Norwegen für die
Zusage, weitere Flugzeuge für Kiew zur Verfügung zu stellen.

Die Ausbildung ukrainischer Piloten und Bodenmannschaften für diesen
Flugzeugtyp läuft seit Monaten. Doch bislang war noch keiner der Jets in der
Ukraine eingetroffen. Sie sollen vor allem die ungehinderten Bombenabwürfe
russischer Flugzeuge unterbinden.

US-Präsident tritt ohne Panne auf

US-Präsident Joe Biden kündigte bei dem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Verteidigungsbündnisses an, die USA und weitere Nato-Staaten wollten Kiew
zusätzliche Ausrüstung zur Abwehr russischer Luftangriffe liefern. Biden, der
nach seinem verpatzten TV-Duell unter besonderer Beobachtung steht, brachte
seinen Auftritt fehlerfrei über die Bühne, allerdings mithilfe eines
Teleprompters. Der Demokrat, der in diesem Jahr Gipfel-Gastgeber ist, kämpft
derzeit an allen Fronten darum, seine Kandidatur für die Präsidentenwahl im
November zu retten./cn/DP/men

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