23.06.2024 15:24:38 - dpa-AFX: Von Asyl-Drittstaatsverfahren wenig Effekt erwartet

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundesländern
zugesagt, konkrete Modelle für Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten zu prüfen - der
Gemeindebund verspricht sich davon allein aber keine Entlastung bei der
Migration. "Wir warnen davor, den Menschen zu suggerieren, solch eine einzelne
Maßnahme könne die Flüchtlingssituation nachhaltig verändern", sagte der
Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger,
der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag).

"Der Ansatz, mögliche Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen,
gehört in die Reihe der möglichen Maßnahmen. Dennoch ist nicht davon auszugehen,
dass dies kurz- oder mittelfristig für signifikante Entlastung sorgen wird",
sagte er weiter. "Notwendig sind viel mehr viele einzelne Bausteine. Dazu können
wirksame Grenzkontrollen gehören, die rasche Umsetzung des EU-Asylkompromisses
und die Reduzierung sogenannter "Pull-Faktoren", etwa durch den Einsatz der
Bezahlkarte."

Auch Scholz hat Erwartungen gedämpft

Scholz hatte auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstagabend seinen
Länderkollegen zugesagt, die Prüfung von möglichen Modellen für Asylverfahren in
Ländern außerhalb der Europäischen Union fortzusetzen und dazu bis Dezember
konkrete Ergebnisse vorzulegen. Gleichzeitig dämpfte auch er die Erwartung, dies
könne zu einer erheblichen Reduzierung der Zahl der Asylanträge führen. Die FDP
und die oppositionelle Union sind dafür, bei den mitregierenden Grünen wird dies
aber höchst skeptisch gesehen.

Auch aus der SPD kommt Kritik. Der Vorsitzende der
Partei-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, sagte dem
"Tagesspiegel", die Aussagen zu Drittstaaten-Verfahren seien "erneut Wasser auf
die Mühlen der Rechtsextremen". Es sei längst klar, dass die
Drittstaaten-Modelle rechtlich "mehr als schwierig" seien und "praktisch nahe
des Unmöglichen". Die SPD-Vizevorsitzende Serpil Midyatli sagte,
Drittstaaten-Regelungen lösten keine Fluchtursachen. "Sie schaffen neue
Probleme: Asylzentren im Ausland sind teuer, ineffizient und in der Umsetzung
kompliziert."

Experte: Abschiebung von IS-Leuten nach Afghanistan oder Syrien unmöglich

Parallel zur Ministerpräsidentenkonferenz hatten sich die Innenminister der
Länder darauf verständigt, sich dafür einzusetzen, dass Straftäter und
islamistische "Gefährder" wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden
können. Zumindest mit Bezug auf Mitglieder des Terrornetzwerks Islamischer Staat
(IS) ist der Migrations- und Völkerrechtsexperte Daniel Thym aber sicher, dass
das vor Gericht keinen Bestand hätte.

"Für das (afghanische) Taliban-Regime und (Syriens Präsidenten) Baschar
al-Assad ist etwa der Islamische Staat einer der größten Konkurrenten", erklärte
der Konstanzer Jura-Professor in der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag).
"Menschen, die dem IS angehören, würden in den Folterkellern oder am Galgen
landen." Für sie sieht er daher "ein absolutes Abschiebungsverbot": "Bei der
Frage, ob jemand abgeschoben werden darf, kommt es nicht darauf an, was
derjenige in Deutschland gemacht hat, sondern wie er im Herkunftsland behandelt
würde."/and/DP/he

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