02.07.2024 14:16:39 - dpa-AFX: Lauterbach-Plan: Arzneimittel ohne Apotheker vor Ort

TELTOW (dpa-AFX) - Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen ihre
Arzneimittel auch künftig möglichst in einer Apotheke in der Nähe bekommen -
allerdings oft nicht mehr von voll ausgebildeten Apothekerinnen und Apothekern.
Das ist das Ziel einer geplanten Reform von Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach. Der SPD-Politiker will sein Gesetz gegen Widerstände der
Apothekerschaft am 17. Juli durch das Bundeskabinett bringen, wie er bei einem
Besuch einer Apotheke im brandenburgischen Teltow ankündigte.

Apotheker macht seinem Unmut bei Scholz Luft

Der Teltower Apotheker Mike Beyer hatte bei einem früheren Besuch von
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der im März vor Ort war, seinem Unmut über die
geplante Apothekenreform Luft gemacht. Scholz habe den Gesundheitsminister
daraufhin gebeten, Überzeugungsarbeit vor Ort zu leisten, wie es aus dem
Gesundheitsressort hieß. Nach einem rund dreiviertelstündigen Gespräch des
Ministers und des Apothekers wurde klar: Geklappt hat das nur bedingt.
Lauterbach betonte zwar, dass es für ihn trotz früherer Gespräche mit Apothekern
interessant gewesen sei. In der Sache aber blieb er hart - und Beyer sowie die
ebenfalls anwesende Präsidentin der Apothekerverbands ABDA, Gabriele Regina
Overwiening, schüttelten bei Lauterbachs Aussagen teils ihre Köpfe.

Was die Ampel plant

Ein Kernpunkt der Pläne: Filialapotheken sollen auch dann öffnen dürfen,
wenn nur eine Apothekerin oder ein Apotheker in einer anderen Filiale für eine
telepharmazeutische Beratung zur Verfügung steht. "In diesem Fall können
erfahrene pharmazeutisch-technische Assistentinnen/Assistenten die
Arzneimittelversorgung vor Ort übernehmen", so das Gesundheitsministerium. "Bei
Bedarf kann die pharmazeutische Beratung von Kunden über Telepharmazie
erfolgen." Komplexe Herstellungsprozesse und die Abgabe von Betäubungsmitteln
sollen aber weiter die Anwesenheit des Apothekers erfordern. An mindestens acht
Stunden pro Woche soll die Apothekenleitung persönlich in der Apotheke anwesend
sein müssen.

Alternative Apothekensterben?

Lauterbach stellte die Reform als nötig dar. "Wir stehen vor einem großen
Apothekensterben auf dem Land", sagte Lauterbach. "Wir versuchen, durch
Filialapotheken und Telepharmazie diese Versorgung zu erhalten." Auch künftig
müssten die Apotheken durch Apotheker geleitet werden. "Aber es muss nicht zu
jedem Zeitpunkt rund um die Uhr auch ein Apotheker in der Filiale sein."
Lauterbach: "Sie haben entweder im ländlichen Raum gar keine Apotheke und den
Versandhandel oder Sie haben dort eine Tochterapotheke, wo an ein oder zwei
Tagen dann der Apotheker vor Ort ist." Schließlich müsse er etwas für die
Menschen tun - "und nicht nur für die Honorare derjenigen, die jetzt schon
Apotheker sind".

Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass er bei der notorisch
zerstrittenen Ampel-Koalition die Reform durchbringt. "Wir werden mit der Reform
am 17. 7., also an dem Tag, an dem im Kabinett auch der Haushalt beschlossen
wird, im Kabinett sein." Die vorab laufenden Abstimmungen innerhalb der
Regierung liefen ausgezeichnet.

Apotheken warnen

Apotheker Beyer warnte vor Leistungseinschnitten für die Versicherten und zu wenig Geld für die Apothekerinnen und Apotheker. "Alle 17.500 Apotheken sind
betroffen von dieser Reform." Anreize sollten geschaffen werden, das
Leistungsangebot der Apotheke zu reduzieren.

ABDA-Präsidentin Overwiening mahnte: "Wir brauchen aber auch die
Apothekerinnen und Apotheker in ihrer Apotheke. Das ist das Kernelement, das ist
das Leitbild unseres gesamten Berufsstandes." Die Verbandschefin betonte: "Und
dieses Leitbild zu verlassen, das ist das, was wir hier eben nicht wollen."
Persönliches Zugegensein des Apothekers führe dazu, dass die Menschen besser
versorgt würden. So zeigten Studien, dass sie ihre Mittel dann mit mehr
Einahmetreue nähmen. Auch etwa für die Versorgung Sterbenskranker brauche es die
Apotheker und Apothekerinnen.

Was noch geplant ist

Weitere Teile des geplanten Gesetzes sollen Apothekern etwas mehr Geld
bringen. So soll der Notdienstzuschlag von 21 auf 28 Cent pro
Arzneimittelpackung erhöht werden - Kostenpunkt: rund 50 Millionen Euro
jährlich. Die Vergütung für jeden erbrachten Notdienst soll um rund 30 Prozent
auf 550 Euro steigen.

Bekannt wurde zudem, dass Pharmaunternehmen künftig unter bestimmten
Bedingungen mit den gesetzlichen Krankenkassen Geheimpreise für patentgeschützte
Medikamente aushandeln dürfen. Entsprechende Änderungsanträge zum
zugrundeliegenden Medizinforschungsgesetz sollten dem Nachrichtenportal
"Politico" zufolge von den Fraktionen beschlossen werden. Festgelegt wird, dass
die Geheimhaltung zwingend zu einem Abschlag von neun Prozent führt, wie in
Ampel-Kreisen bestätigt wurde./bw/DP/mis
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