15.07.2024 06:00:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: Kiew dringt auf Einsatz weitreichender Waffen

KIEW (dpa-AFX) - Angesichts ständiger russischer Raketen- und Luftangriffe
möchte die Ukraine die Quelle des Übels ausschalten - Militärflugplätze und
Raketenabschussrampen auf russischem Staatsgebiet, bis tief ins Landesinnere.
Die Liste möglicher Ziele ist inzwischen lang, der Wunsch nach Vergeltung ist
groß. Nur fehlt die Erlaubnis der USA, die vom Westen gelieferten weitreichenden
Waffensysteme einzusetzen. Unterdessen meldet die Ukraine Explosionen in Odessa,
Russland berichtet von weiteren ukrainischen Drohnenangriffen.

Bisher bleibt Washington bei den Waffensystemen hart, die USA haben der
Ukraine noch keine Erlaubnis zu Angriffen mit diesen weitreichenden Waffen gegen
Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt. Das teilte Ihor Schowka, der
stellvertretende Leiter der Präsidialkanzlei von Wolodymyr Selenskyj, in einem
Interview von "Voice of America" mit. Dennoch arbeite die Ukraine weiter mit den
USA an dieser Frage und hoffe auf ein baldiges Einlenken.

"Alle wissen, wo die Gefahr liegt, wo die Raketen (gegen die Ukraine)
gestartet werden." Schowka äußerte sich optimistisch: "Alle wichtigen
Entscheidungen, die die USA früher getroffen haben, erfolgten äußerst leise -
und das wird auch dieses Mal so sein."

Die Ukraine fordert schon seit einiger Zeit die Erlaubnis, die von den USA
und anderen westlichen Partnern gelieferten weitreichenden Waffen, also Raketen
oder Marschflugkörper, gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einsetzen zu
dürfen. Bisher konnten die ukrainischen Militärs lediglich Drohnen mit deutlich
geringerer Sprengkraft einsetzen. Bei Treibstofflagern oder Raffinerien
erzielten diese mehrfach Erfolge, aber gegen Flugplätze oder
Raketenabschussbasen zeigten die unbemannten Flugkörper bisher wenig Wirkung.

Westliche Waffen dürfen bisher nur gegen Ziele in den besetzten Gebieten der Ukraine, einschließlich der Krim, sowie im Osten des Landes im unmittelbaren
Grenzgebiet eingesetzt werden.

Den USA sei dieses Problem bekannt, betonte Schowka. Daher erwarte er auch
eine baldige Zustimmung der USA, "so wie es auch früher bei anderen Fragen
geschah, die wir mit der US-Regierung erörtert haben."

Explosionen in Odessa - Russland meldet Drohnenangriffe

Medienberichten zufolge kam es nachts nahe der ukrainischen Hafenstadt
Odessa zu heftigen Explosionen. Der Gouverneur der Militärverwaltung des
Gebiets, Oleh Kiper, rief die Bewohner der Stadt und des Bezirks Odessa über
Telegram auf, in Schutzräumen zu bleiben, bis das Feuer gelöscht sei. Zuvor
hatte die ukrainische Luftwaffe eine Bedrohung durch ballistische
Raketenangriffe aus dem Süden gemeldet. Informationen über mögliche Schäden oder
Opfer gab es zunächst nicht.

Die russische Luftabwehr fing unterdessen nach Angaben des zuständigen
Gouverneurs sechs Drohnen über der Region Brjansk ab und zerstörte sie. Die
Region südwestlich von Moskau grenzt an die Ukraine. Auch im russischen Gebiet
Lipezk südlich von Moskau wurde ein Drohnenangriff gemeldet. Eine Drohne sei auf
dem Gelände eines elektrischen Umspannwerks abgestürzt, so der dortige
Gouverneur. In beiden Fällen gab es den Angaben nach keine Verletzten, die
Arbeit des Umspannwerks sei nicht gestört. Die Angaben ließen sich zunächst
nicht unabhängig prüfen.

Neue 3-Tonnen-Gleitbomben gegen Ziele in der Ukraine

Die russischen Luftstreitkräfte sind nach Angaben aus ukrainischen
Militärkreisen in jüngster Zeit dazu übergegangen, neuartige Gleitbomben gegen
Ziele in der Ukraine einzusetzen. So seien Bomben mit einem Gewicht von drei
Tonnen kleinen Tragflächen und entsprechender Elektronik ausgestattet worden, um
sie aus großer Entfernung von Flugzeugen abzuwerfen und dann ins Ziel zu lenken.

"Dazu nutzen sie Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-34, die von Flugplätzen
starten, die wir zerstören müssten, um unsere Menschen zu schützen", wurde
Andrij Jermak, Leiter des Präsidialbüros in Kiew, von der Agentur Unian zitiert.
Doch dafür fehle wiederum die Erlaubnis, westliche Waffen einzusetzen, klagte
er. "Nur eine solche Erlaubnis kann viele Menschenleben schützen."

Ein russischer Kampfpilot hob im Gespräch mit der Staatsagentur Tass die
Zielgenauigkeit der aufgerüsteten, eigentlich veralteten Bomben, hervor. Die
maximale Abweichung betrage zehn Meter, behauptete der namentlich nicht genannte
Pilot. Zudem könnten die Bomben von keiner Flugabwehr in ihrem Anflug gestoppt
werden, "weder mit Patriots noch mit Geparden".

Merz: Ukraine auch mit Kampfjets unterstützen

CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich unterdessen für eine stärkere
Unterstützung der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs aus - und für
die Lieferung von Kampfflugzeugen.

Merz sagte im ARD-Format "Frag selbst": "Mir erscheint einigermaßen
plausibel zu sein, der Ukraine jetzt zu helfen, wenigstens die Hoheit über den
eigenen Luftraum zurückzugewinnen. Denn diese Raketenangriffe, die jetzt in
immer größerer Zahl stattfinden, gegen die Infrastruktur, gegen Strom- und
Wasserversorgung, gegen Krankenhäuser, Altenheime, die wird man vom Boden aus
allein nicht unter Kontrolle bekommen können. Und deswegen ist ja auch die
Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine in vielen Ländern der Welt schon
beschlossene Sache, auch in Europa. Wir sollten da als Deutsche nicht
zurückstehen."

Einige Nato-Staaten wollen Tempo bei der Ausrüstung der Ukraine mit
westlichen Kampfflugzeugen. Der Transfer von F-16-Jets sei bereits im Gange,
kündigten die USA, die Niederlande und Dänemark in einer gemeinsamen Erklärung
am Rande des Nato-Gipfels in Washington vergangene Woche an. Damit könnten die
Maschinen noch in diesem Sommer zur Abwehr des russischen Angriffskriegs zum
Einsatz kommen. Bei der Lieferung geht es um F-16-Jets aus amerikanischer
Produktion, die von Dänemark und den Niederlanden bereitgestellt
werden./cha/DP/zb

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