23.06.2024 14:43:40 - dpa-AFX: Kampf um 55 Stimmen: ARD-Sender WDR bekommt neue Spitze

KÖLN (dpa-AFX) - Am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird gerade von vielen
Seiten herumgezerrt. Medienpolitiker wollen seine Struktur und seinen Auftrag
effizienter machen. Es gibt einen Streit um die Höhe des Rundfunkbeitrags, weil
sich mehrere Ministerpräsidenten gegen ein Plus von 58 Cent auf 18,94 Euro
stemmen. In den Häusern selbst gibt es Verteilungskämpfe, weil mehr ins Digitale
fließen und dafür anderes gelassen werden soll. Inmitten dieser Gemengelage
bekommt der größte ARD-Sender Westdeutscher Rundfunk (WDR) eine neue Spitze. Wer
wird sich als Nachfolge von Tom Buhrow (65) durchsetzen?

Es spricht viel dafür, dass es am Donnerstag (27. Juni) die Antwort darauf
geben wird. Es gibt eine Kandidatin und drei Kandidaten, die sich in Köln zur
Intendantenwahl stellen.

In alphabetischer Reihenfolge sind das: "Tagesthemen"-Moderator und Zweiter
Chefredakteur der Gemeinschaftsredaktion ARD-aktuell, Helge Fuhst (40), der
WDR-Programmdirektor und "Presseclub"-Moderator Jörg Schönenborn (59),
ZDF-Washington-Studioleiter Elmar Theveßen (57) und die
WDR-Verwaltungsdirektorin Katrin Vernau (51). Alle haben schon jetzt hohe
Positionen im Kosmos des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Hört man sich um, so scheint es bisher nicht ausgemachte Sache zu sein, wer
das Rennen macht. Man hört Argumente in die eine und in die andere Richtung.
Soll es ein Intendant sein, der aus der Programmarbeit kommt oder soll er sich
besser mit Zahlen auskennen? Soll es jemand sein, der Jahrzehnte Rundfunkarbeit
repräsentiert? Jemand, der für etwas Neues steht? Mann oder Frau? Soll es jemand
sein, den die Leute schon aus dem Fernsehen kennen und ein bekanntes Gesicht
ist? Eine Frage ist auch, wer am besten die Interessen der ARD nach außen
vertritt.

Der WDR-Rundfunkrat wählt. Das ist das Kontrollgremium aus ehrenamtlichen
Vertretern vieler Gruppen, die einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren
sollen. Zum Beispiel schicken der Landtag, Städtetag, Kirchen, Gewerkschaften
und Verbände Vertreter in das Gremium, das im Wesentlichen die Programmarbeit
eines Senders überwacht - also, ob die Angebote ausgewogen sind und ob sie alle
Menschen ansprechen.

Gewählt ist, wer die Mehrheit der 55 Rundfunkratsstimmen - also 28 Stimmen
oder mehr - bekommt, wie das Gremienbüro des Senders mitteilt. Erreicht das
keiner, folgt unverzüglich eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten.
Hier reicht dann eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen - Ausgangspunkt sind hier
also nicht mehr zwingend die 55 Stimmen. "In aller Regel sollte also nach
spätestens zwei Wahlgängen ein Endergebnis vorliegen", heißt es vom Gremienbüro.

Die neue Amtsperiode beginnt am 1. Januar 2025. Intendant Tom Buhrow
- den viele noch aus seiner Zeit als "Tagesthemen"-Moderator kannten
- strebte keine dritte Amtszeit als Senderchef mehr an.

Der WDR hat wegen seiner Größe mit Einnahmen durch den Rundfunkbeitrag im
bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (rund 1,3 Milliarden Euro
im Jahr 2022) eine große Machtposition innerhalb der ARD mit neun
Landesrundfunkanstalten. Deshalb wird die Arbeit des Senderchefs oder der
Senderchefin besonders beobachtet./rin/DP/he

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