30.06.2024 14:19:04 - dpa-AFX: EM 2024: Abseits? Hand? Videobeweis-Debatte nach Deutschland-Sieg

DORTMUND (dpa-AFX) - Thomas Delaneys Fußspitze bewahrte die deutsche
Nationalmannschaft vor dem Rückstand. Joachim Andersens Minimalberührung des
Balls mit der Hand führte zum vorentscheidenden Führungstor. Wie selten zuvor
hat der Videobeweis samt neuer Impulstechnik beim 2:0-Achtelfinalsieg der
DFB-Auswahl gegen Dänemark Einfluss auf ein K.-o.-Spiel genommen. Das kam nicht
überall gut an - der dänische Trainer Kasper Hjulmand fand eine Entscheidung
"lächerlich". Die wichtigsten Fragen.

Um welche Szenen geht es?

Dänemarks Andersen hatte in der 48. Minute nach großer Konfusion in der
deutschen Abwehr ins Tor getroffen - der vermeintliche Führungstreffer zählte
aber nicht. Mithilfe der halbautomatischen Abseitslinie stellte das
Schiedsrichterteam um den Briten Michael Oliver fest, dass Delaneys Fußspitze in
der Entstehung hauchzart im Abseits war. Kein Tor. Wenige Minuten später wurde
Andersen zur tragischen Figur: Eine Flanke von David Raum streifte aus kurzer
Distanz die Hand des 28-Jährigen, nach Ansicht der Videobilder mit Impulsgrafik
des Ballkontakts entschied Oliver auf Strafstoß. Kai Havertz verwandelte sicher.
Statt 0:1 aus deutscher Sicht stand es innerhalb weniger Minuten 1:0.

Was sagen die Trainer?

"Ich habe echt genug von dieser lächerlichen Handregel", sagte Dänemarks
Nationaltrainer Hjulmand. "Wir können nicht erwarten, dass unsere Verteidiger
mit den Händen auf dem Rücken laufen. Er ist normal gelaufen." Bundestrainer
Julian Nagelsmann sagte zu der Szene: "Ich kann verstehen, dass die Dänen sich
aufregen. Aber die Regel ist so. Der Arm ist abgespreizt." Zur Abseitssituation
zeigte Hjulmand am späten Samstagabend immer wieder ein Bild von der Szene auf
seinem Handy. "Mir wurde gesagt, was die Statistik angeht, macht das keinen
Sinn. So sollten wir nicht den Videoschiedsrichter benutzen. Es geht um einen
Zentimeter."

Und die Experten?

Der deutsche Topschiedsrichter Felix Brych sagte am Sonntag im
Sport1-"Doppelpass", Oliver habe am Ende "alles richtig" gemacht, "auch wenn es
bitter ist für Dänemark". Das Spiel, das zudem wegen eines Unwetters
unterbrochen werden musste, habe "unglaubliche" Anforderungen an den
Unparteiischen gestellt. Schiedsrichterkollege Patrick Ittrich verwies bei
MagentaTV auf die geltenden Handregeln. "Wir müssen, so gut es geht, versuchen,
gleiche Situationen gleich zu bewerten", argumentierte Ittrich, er räumte aber
auch ein: "Ich kann nachvollziehen aus Spielersicht, dass das ein Problem ist."

Wie funktioniert die neue Technik mit Chip im Ball?

Die Grafik, die an ein Elektrokardiogramm (EKG) zur Messung der Herzströme
erinnert, zeigt mit Ausschlägen, zu welchem Zeitpunkt der Ball berührt wird. In
Verbindung mit den Videobildern können die Schiedsrichter insbesondere
Handspiele eindeutiger erkennen. Doch die Technik hat nicht nur Fans. "Dieses
Ausschlagding, was da angezeigt wird, das können wir gleich abschaffen", sagte
Ex-Nationalspieler Michael Ballack bei MagentaTV. "Wir sollten immer noch nach
Menschenverstand urteilen."

Wie bewertet die UEFA grundsätzlich den VAR-Einsatz?

Nach der Gruppenphase hatte sich UEFA-Schiedsrichterchef Roberto Rosetti
äußerst zufrieden gezeigt. In den 36 Vorrundenspielen kam es zu 20 Eingriffen
durch den Videoassistenten, in zwölf Fällen schaute sich der jeweilige
Hauptschiedsrichter die Szene noch einmal an. Die Technik mit dem Chip im Ball
funktioniere "sehr gut". Wenn die Videobilder keinen endgültigen Schluss
zuließen, "können wir uns auf eine Grafik stützen, die den Kontakt des Balls
zeigt", sagte der Italiener./mj/DP/nas

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