27.05.2024 16:00:46 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Urteil zu 'NSU 2.0'-Drohschreiben rechtskräftig

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Die Haftstrafe gegen den Verfasser der sogenannten
"NSU 2.0"-Drohschreiben ist rechtskräftig. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am
Montag in Karlsruhe mitteilte, änderte der dritte Strafsenat den Schuldspruch
des Frankfurter Landgerichts geringfügig und verwarf die Revision im Übrigen.
Das Landgericht hatte den Mann im November 2022 unter anderem wegen
Volksverhetzung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von
Straftaten, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Beleidigung, versuchter
Nötigung und Bedrohung zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Der aus Berlin stammende Mann hatte per E-Mail, Fax und SMS eine Serie von
hasserfüllten Drohschreiben an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen
und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet. Zu den Adressaten gehörten
Satiriker Jan Böhmermann, Moderatorin Maybrit Illner und Kabarettistin Idil
Baydar.

Begonnen hatte die Serie im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die
Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie. Die Schreiben
waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet - in Anspielung auf die rechtsextreme
Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt
und Beate Zschäpe hatten unter diesem Namen gemordet. Das Trio erschoss zwischen
2000 und 2007 neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine
Polizistin. Mit Sprengstoffanschlägen verletzten sie zudem Dutzende.

BGH bestätigt Alleintäterschaft

Die Staatsanwaltschaft hatte siebeneinhalb Jahre Haft gefordert. Der
Angeklagte hatte sein eigenes Plädoyer gehalten und einen Freispruch verlangt.
Er sei lediglich Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen, deshalb seien auf
seinem Computer Teile der Drohschreiben gefunden worden, sagte er. Er hatte die
Taten stets bestritten. Internetrecherchen und sprachwissenschaftliche Analysen
hatten im Mai 2021 zur Festnahme des Berliners geführt.

An der Annahme, der Mann habe alleine gehandelt, hatte es von Anfang an
Kritik gegeben. Das Landgericht hatte im Prozess nicht konkret feststellen
können, wie er an persönliche Daten der Betroffenen gelangte. Zu vier
Betroffenen wurden im Tatzeitraum Daten unberechtigt von Polizeicomputern
abgefragt. Die Ermittlungen hätten aber weder Verbindungen des Angeklagten zu
Polizeikreisen noch Beziehungen zu möglichen Unterstützern oder Hinterleuten
ergeben, so der BGH. Wie schon das Landgericht geht auch der Karlsruher Senat
davon aus, dass der Mann Alleintäter war.

Lediglich einen Fall, indem der Mann Einsatzkräfte der Polizei mit einer
geladenen Schreckschusspistole bedroht hatte, um sie von seiner Festnahme
abzuhalten, stufte der BGH anders ein als die Vorinstanz. Da der Mann die
Beamten nicht tätlich angegriffen, sondern mit Gewalt nur gedroht habe, wurde
der Fall auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geändert - das Landgericht
hatte ihn als tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte eingestuft. Auf die
Dauer der Freiheitsstrafe hatte das keine Auswirkung./jml/DP/stw

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH