28.06.2024 06:24:10 - dpa-AFX: EU-Gipfel: Fokus der nächsten Jahre auf Verteidigung und Wirtschaft

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Europäische Union soll sich nach dem Willen ihrer
Staats- und Regierungschefs in den kommenden Jahren mehr um Verteidigung und
Wirtschaft kümmern. "Wir werden gemeinsam wesentlich mehr und besser
investieren", heißt es in der sogenannten Strategischen Agenda, die beim
EU-Gipfel am Donnerstag beschlossen wurde.

Damit soll Europa in militärischen Belangen weniger abhängig werden und
seine Rüstungsindustrie deutlich stärken. Für das Papier hatte EU-Ratspräsident
Charles Michel monatelang Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs geführt.
Es umreißt die Ausrichtung der EU für die kommenden fünf Jahre.

Deutschland und Frankreich wollten eigentlich mehrere Änderungen
durchsetzen, konnten sich aber nicht gegen den Widerstand zahlreicher anderer
Länder durchsetzen. Nach Angaben eines EU-Diplomaten seien die Forderungen von
Berlin und Paris "viel zu ehrgeizig" gewesen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Agenda als wenig
ambitioniert. Unter anderem bei den Themen Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz
habe sich Deutschland mehr vorstellen können. Nicht akzeptiert habe er
gemeinsame Schulden, sogenannte Eurobonds, zur Rüstungsfinanzierung und die
Refinanzierung nationaler Verteidigungshaushalte aus dem Budget der Europäischen
Union, betonte Scholz.

In dem Text heißt es unter anderem, dass der Zugang zu öffentlichem und
privatem Geld verbessert und dabei "alle Möglichkeiten" ausgelotet werden
sollen. Dafür wird auch die Europäischen Investitionsbank ins Spiel gebracht.
Diese hatte jüngst angekündigt, ihr Engagement in den Bereichen Sicherheit und
Verteidigung auszubauen. Wenn die Förderbank auch in reine Rüstungsprojekte
investieren soll, müssten sich die 27 Mitgliedsländer allerdings auf eine
Änderung des Mandats verständigen.

Künftig sollen der Agenda zufolge europäische Armeen besser aufeinander
abgestimmt sein. Derzeit nutzen die EU-Staaten zahlreiche unterschiedliche
Modelle etwa von gepanzerten Fahrzeugen, Waffen und anderer Ausrüstung. Durch
eine Vereinheitlichung könnte an vielen Stellen Kosten und Aufwand eingespart
werden.

Mit Blick auf die Wirtschaft wird vor allem befürchtet, den Anschluss zu
verlieren. So haben etwa die Corona-Pandemie und Russlands Angriffskrieg gegen
die Ukraine schmerzlich verdeutlicht, wie abhängig die EU von funktionierenden
Lieferketten und günstiger Energie ist. Zahlreiche Rohstoffe, die etwa für
E-Autos oder Windräder benötigt werden, muss der Staatenbund teils fast komplett
aus einzelnen Drittländern importieren. Solch sensible Sektoren und
Schlüsseltechnologien wie etwa auch die Raumfahrt, künstliche Intelligenz,
Mikrochips oder Arzneimittel sollen deswegen ausgebaut werden.

Ferner will sich die EU in den kommenden Jahren darauf vorbereiten, neue
Mitglieder aufzunehmen. Derzeit laufen unter anderem Beitrittsgespräche mit der
Ukraine. Auch das Thema Migration wird in den kommenden Jahren vermehrt die
Aufmerksamkeit des Staatenbundes bekommen. Zudem steht in dem Text: "Unsere
Werte sind unsere Stärke." Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit
und Achtung der Menschenrechte sollen geschützt und gefördert werden.

Damit bekommt auch der Kampf gegen den Klimawandel voraussichtlich nicht
mehr die Aufmerksamkeit, die ihm während der vergangenen Legislaturperiode
gewidmet wurde. An mehreren Stellen in dem Dokument wird jedoch betont, dass man
auch weiterhin gegen den Klimawandel vorgehen will./mjm/DP/zb

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