10.07.2024 16:18:43 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2: Schäden von Kaution abziehen? BGH urteilt zu Mietstreit

(Aktualisierung: Neue Informationen nach Urteil)

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Immer wieder streiten sich Mieter und Vermieter vor
Gericht um die Mietkaution. Ein solcher Fall schafft es nun bis ans höchste
deutsche Zivilgericht. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied dabei
zu der Frage, ob ein Vermieter ein halbes Jahr nach Auszug einer Mieterin
Schadenersatz für Beschädigungen des Mietobjekts mit der Mietkaution verrechnen
durfte. Mit seinem Urteil stärkte er den Vermietern den Rücken. Aber wann
verjähren Ansprüche auf Schadenersatz normalerweise? Und in welchen Fällen
greift eine Ausnahmeregelung? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wann darf ein Vermieter die Kaution einbehalten?

Grundsätzlich dürfen Vermieter die Kaution ihrer Mieter unter verschiedenen
Umständen einbehalten. "Das kann eine Mietforderung sein, die offen geblieben
ist, oder Nachzahlungen von Betriebskosten", sagt Rechtsanwältin und
Mietrechtsexpertin Beate Heilmann der Deutschen Presse-Agentur. Auch für
unterlassene Schönheitsreparaturen könne das Geld einbehalten werden -
vorausgesetzt, diese wurden im Mietvertrag entsprechend vereinbart. "Und dann
gibt es Ansprüche des Vermieters wegen einer Beschädigung des Mietobjekts, wie
sie auch in dem BGH-Verfahren eine Rolle spielen".

Solche Ansprüche auf Schadenersatz sorgten zwischen Mieter und Vermieter
öfter mal für Streit, sagt Heilmann, die beim Deutschen Anwaltverein Vorsitzende
der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien ist. Für Vermieter sei es
attraktiv, die streitigen Ansprüche mit der Kaution zu verrechnen, da es dann am
Mieter liege, auf Rückzahlung zu klagen. So wie in dem Fall, mit dem sich der
BGH nun beschäftigt.

Worum ging es in dem konkreten Fall?

In dem konkreten Fall hatte eine Mieterin geklagt, weil ihr Vermieter ihr
die Mietkaution in Höhe von rund 780 Euro nach ihrem Auszug nicht zurückgezahlt
hatte. Er begründete das damit, dass er die Kaution mit Schadenersatzforderungen
für Schäden an der Wohnung verrechne. Da die Ansprüche nach Ansicht der Mieterin
schon verjährt waren, klagte sie auf Rückzahlung der Kaution - und bekam in den
Vorinstanzen recht.

Wann verjähren Schadenersatzansprüche?

Nach Rückgabe einer Wohnung haben Vermieter in der Regel sechs Monate Zeit,
um von ihren ehemaligen Mietern Schadenersatz für eine Beschädigung
einzufordern. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht aber eine Ausnahme von der
Verjährungsfrist vor: Wenn der Anspruch vor Ablauf der sechs Monate theoretisch
hätte verrechnet werden können, dann ist die Abrechnung auch später noch
möglich.

Bedingung für diese Ausnahme ist aber unter anderem, dass es sich um zwei
"gleichartige" Forderungen handelt - also bei der Barkaution "Cash gegen Cash".
Das ist hier deshalb wichtig, weil Vermieter bei Beschädigungen an der Mietsache
wählen dürfen, ob sie gleich einen Geldersatz fordern oder dem Mieter die Chance
geben, den ursprünglichen Zustand der Wohnung selbst wiederherzustellen - eine
sogenannte Naturalrestitution.

Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der beklagte Vermieter hatte mit seiner Revision gegen die Entscheidung der
Vorinstanz Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Landgericht Nürnberg-Fürth auf und
verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das Gericht zurück. Der unter anderem
für Mietrecht zuständige achte Zivilsenat entschied, dass Vermieter eigentlich
verjährte Forderungen für Schäden an einer Mietsache auch dann mit der Kaution
ihrer Mieter verrechnen dürfen, wenn sie ihre Ersetzungsbefugnis nicht innerhalb
der sechsmonatigen Verjährungsfrist ausgeübt haben. Diese Ersetzungsbefugnis
erlaubt es Vermietern, bei Beschädigungen ihrer Wohnung Schadenersatz in Geld
statt einer Wiederherstellung der beschädigten Sache einzufordern.

Was heißt das für Mieter?

Aus Sicht des Deutschen Mieterbunds ist das Urteil "keine gute Entscheidung
für Mieterinnen und Mieter, denn dieses Urteil verkennt ihr Interesse an
schneller Rechtssicherheit über ihr Mietkautionsguthaben", sagt Präsident Lukas
Siebenkotten. Mieter könnten nicht darauf vertrauen, dass sie ihr einstiger
Vermieter nicht auch mehr als ein halbes Jahr nach ihrem Auszug mit Forderungen
nach Schadenersatz konfrontiert.

Gerade die Frage nach potenziellen Ansprüchen bei Schäden an der Mietsache
seien oft strittig, so Siebenkotten. "Mieterinnen und Mietern bleibt nun im
Endeffekt nichts Anderes übrig, als ihren Anspruch auf Rückzahlung der Kaution
klageweise durchzusetzen, sollte der Vermietende Teile der Kaution wegen
angeblicher Schäden in der Wohnung unberechtigt einbehalten."

Was bedeutet das Urteil für Vermieter?

Der Eigentümerverband Haus und Grund begrüßt wiederum die Entscheidung des
BGH. Er habe gerade privaten Vermietern damit eine praxistaugliche Flexibilität
eingeräumt, teilt der Zentralverband Deutscher Haus-, Wohnungs- und
Grundeigentümer mit. Er appelliert aber zugleich an die Vermieter, schon bei der
Wohnungsübergabe alle sichtbaren Schäden zu dokumentieren und auf dieser Basis
zügig über die Kaution abzurechnen./jml/DP/he

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