14.05.2024 14:34:21 - dpa-AFX: ROUNDUP: Scholz fordert Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine Erhöhung des
Mindestlohns auf schrittweise 15 Euro in Deutschland ausgesprochen. Damit löste
der SPD-Politiker teils heftige Kritik beim Koalitionspartner FDP, der
oppositionellen Union und Deutschlands Arbeitgebern aus. Gewerkschaften und
Sozialverbänden begrüßten die Ankündigung.

"Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten
Schritt auf 15 Euro anzuheben", sagte Scholz dem "Stern". Gleichzeitig übte er
Kritik an der Mindestlohnkommission. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer
Mini-Anpassung beharrt." Außerdem hätten sie mit der Tradition gebrochen,
einvernehmlich zu entscheiden. "Das war ein Tabubruch", sagte Scholz. "Die
Kommission sollte zu einem einheitlichen Verfahren zurückkehren." Aktuell ist
vorgesehen, den Mindestlohn im kommenden Jahr von derzeit 12,41 Euro auf 12,82
Euro anzuheben.

Arbeitgeber und FDP dagegen

Der Arbeitgeberverband BDA warf Scholz Einmischung in die Festlegung des
Mindestlohns vor. "Wenn Politik und Gewerkschaften weiter die Verhandlungen zum
Mindestlohn in der Presse führen, dann kann man die Mindestlohnkommission auch
gleich auflösen", kritisierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. "Wenn jemand
einen Tabubruch begeht, dann der Bundeskanzler. Er hat zugesagt, nicht mehr in
die Arbeit der Mindestlohnkommission eingreifen zu wollen", sagte Dulger weiter.
Für die Wirtschaft, die Arbeitsplatzsicherheit und die Tarifautonomie ist es
nach den Worten des BDA-Chefs "brandgefährlich, aus wahlkampftaktischen Gründen
den Druck auf die Mindestlohnkommission stetig zu erhöhen ? und das bereits mehr
als ein Jahr vor der nächsten Entscheidung".

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte, die Politik habe sich aus der
Festlegung des Mindestlohns herauszuhalten. "Willkürliche staatliche Eingriffe
stören das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und schaden unserem
Land", sagte Djir-Sarai dem "Stern". FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler mahnte: "Es
wäre falsch, die Arbeit der Mindestlohnkommission durch politische Einflussnahme
zu untergraben."

Laumann für Koppelung an mittleren Lohn

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Karl-Josef Laumann sagt dem "Stern":
"Die SPD steigt bereits jetzt in den Wahlkampf über den Mindestlohn ein." Er
lehne "eine willkürliche Festlegung durch die Politik" ab. Der
nordrhein-westfälische Arbeitsminister plädiert allerdings für eine Reform der
Regeln zur Findung des Mindestlohns: "Wir brauchen einen neuen Mechanismus für
eine faire Lohnuntergrenze." Mit der letzten Erhöhung um 41 Cent sei nicht
einmal die Inflation ausgeglichen worden. Laumann halte eine Kopplung des
Mindestlohns an die Entwicklung des mittleren Lohns für eine zielführende
Lösung. "Es wäre gut, wenn die Sozialpartner sich auf solch einen Mechanismus
verständigen könnten."

Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied und Mitglied der
Mindestlohnkommission, sagte: "Der Kanzler hat recht." Der Gewerkschaftsbund
wolle einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die europäische
Mindestlohnrichtlinie vorsehe. "Die Richtlinie nennt 60 Prozent vom mittleren
Einkommen von Vollzeitbeschäftigten als Maßstab, im Moment entspricht das knapp
über 14 Euro." Natürlich seien im nächsten Jahr 15 Euro drin, weil die
Entwicklung ja weitergehe und die Preise stiegen.

Entscheidung mitten im Wahlkampf

Turnusgemäß werde die Mindestlohnkommission erst Mitte 2025 über die
nächsten Erhöhungsschritte entscheiden, so Körzell. "Ihr Beschluss fällt damit
unmittelbar in die Hochphase des nächsten Bundestagswahlkampfes, wird also
hochpolitisiert sein." Der DGB wolle an der Mindestlohnkommission festhalten. In
einer Patt-Situation müssten aber unterschiedliche Interessenlagen per
Schlichtung in Einklang gebracht werden. Die Vorsitzende des Sozialverband
Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte, Scholz werde sich nun an seinen
Ankündigungen messen lassen müssen. "Das darf jetzt nicht nur ein frühzeitiges
Wahlkampfgetöse sein."

Die Forderung nach einer Lohnuntergrenze von 15 Euro war zuvor auch aus den
Reihen von Grünen, Linken sowie der Gewerkschaft Verdi gekommen. Damit alle mit
ihrem Einkommen auskommen könnten, sei ein gesetzlicher Mindestlohn noch in
diesem Jahr von 14 Euro und im nächsten Jahr von 15 Euro geboten, sagte die
Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt kürzlich. Auch aus der SPD wurde Kritik
laut, die geplante Anhebung sei zu niedrig./bw/DP/stk

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